Notiz einige Jahre später: 

 

Dieser Blog ist aus Transparenzgründen online. 

Viele Inhalte würde ich aber heute nicht mehr so schreiben. Teilweise sind sie abwertend, rassistisch und arrogant, teilweise "nur" naiv und altklug.

Vielleicht haben andere Freiwillige in dem Alter, in dem ich während meines Freiwilligendienstes war, schon ein besseres Verständnis von Rassismus und welche Formen er auch bei vermeintlich "gut-meinenden" Blogautor*innen annehmen kann.  Ich hatte es damals noch nicht. 

Viele Sachen, die ich geschrieben habe, tun mir leid.  

Wenn ich demnächst die Zeit dafür finde, werde ich meiner Ansicht nach bedenkliche Stellen markieren oder in schlimmen Fällen löschen. Ich bin mir dabei bewusst, dass ich wahrscheinlich nicht alle problematischen Stellen erwische.  Für Hinweise bin ich dankbar.

 

 

Überblick über meine letzten Wochen in Kamerun.

 

Ein denkwürdiges Wochenende verbrachte ich mit Kumpel Marley  (22, absolviert Ausbildung zum Krankenpfleger) auf seinem Heimatdorf, wo sein Vater und seine Großmutter leben.

Schon die Hinfahrt war ein Erlebnis, denn der Fahrer, der uns mitnahm, hatte als weiteren „Fahrgast“ eine junge Kuh vorgesehen, die er mithilfe des Viehhändlers handlich gefaltet in den Kofferraum des mittelgroßen Toyotas quetschte. Wenigstens läuft diese Tierqual in Kamerun für jeden sichtbar am Rande des Marktplatzes ab und nicht wie in Deutschland hinter den hohen, unschuldigen Mauern  von Viehhöfen und Schlachtbetrieben. Dass der Mensch das Tier gelegentlich für wenig mehr als einen Gegenstand hält wird zumindest nicht versteckt.

 

Der Vater arbeitet als selbstständiger Kakao- und Kaffeebauer, da diese Tätigkeit aber nicht viel einbringt, bemüht er sich als Fernfahrer um Transportaufträge. An diesem Samstag stand aber Feldarbeit auf dem Programm und Marley und ich durften ihn begleiten. Die erste Schwierigkeit, mit der die Bauern des Dorfes konfrontiert sind, ist die teilweise gewaltige Entfernung zwischen Feldern und Siedlung. Wir gingen also zunächst 50 Minuten zu Fuß; teilweise über Waldwege, später steile Bergpfade hochkeuchend. Bizarr ist die unwirkliche Dichte an arbeitende Menschen im verlassen wirkenden Dschungel, oft entpuppt sich ein undurchdringbar scheinendes Baumgewirr als Feld oder Baumstück, hinter jeder Pfadbiegung begegnet man im scheinbarem Niemandsland einem anderen Bauern. Unser Ziel war ein Feld am Hang des „Mont Batoufam“, dicht bestanden mit Kaffee- und Kakaobäumen. Natürlich erfolgen hier diesen meisten Arbeiten, vor allem natürlich die Ernte, per Hand. An diesem Tag sollte aber nur ein Schädlingsbekämpfungsmittel an die Stämme der Bäume gesprüht werden. Diese Arbeit übernahm der Vater, Marley und ich droschen zunächst mit viel Motivation, aber bemitleidenswert planlos mit Macheten auf das teilweise hüfthohe Unkraut ein, als ich (typisch Stadtkind) zu Marleys Belustigung nach den ersten Hieben bereits eine Schwiele an der Handfläche hatten, verlegten wir uns auf das Sammeln von einer bestimmten Sorte Nüsse, genannt „Noisette“. Die restliche Zeit wurde über das Feld gestreift, unter Anderem fanden wir eine Affenananas, eine wilde Urform der uns bekannten Frucht, die noch über ein nachvollziehbareres Verhältnis von Schale und Fruchtfleisch verfügt und aber dennoch ausgesprochen süß schmeckt. Außerdem bestehen Kakaofrüchte gar nicht nur aus Kakaosamen (eigentlich logisch, aber wer weiß das schon), sondern auch über ein Fruchtfleisch das, angenehm zitronig-erfrischend schmeckt. Obwohl das gerne als Snack verzehrt wird, könnte man gar nicht so viel Fruchtfleisch verzehren, wie als „Abfallprodukt“ bei der Kakaoernte anfällt essen. Immerhin soll das Fruchtfleisch, wenn es noch an den Samen vergammelt, die Bitterstoffe aus dem Kakao ziehen.

Das Problem des Teufelskreises aus Verwendung von Ernteausfälle verhindernden Pestiziden und der dadurch verursachten Bodendegradation haben die Bauern aus Batoufam genau wie ihre deutschen Kollegen.

Spätnachmittags wohnten wir (wie gefühlt das gesamte Dorf) nach der Rückkehr aus dem Wald einem Fußballspiel auf dem Sportplatz bei. Viele Facetten waren erinnerten an die A-Klassenspiele der Isener Ersten, motivierte, aber technisch limitierte Hobbykicker, ein wenig obligatorische Schimpferei auf den Schiedsrichter und lauthals brüllende, aber im Endeffekt vergeblich herumkommandierende Trainer. Zu erwähnen ist noch die herzallerliebste Großmutter, die zwar ausschließlich den Dorfdialekt sprach, aber dennoch per Gestik es verstand, mir Essen anzubieten, wann immer ich an der (außerhalb des Hauses) gelegenen „Firekitchen“ vorbeikam- und das kam ich oft. Die Nächte waren, ganz ländlich, lang, aber gemütlich, zumindest bis drei Uhr der zweiten Nacht, als der Lattenrost des Doppelbettes, in dem Marley, sein Vater und ich lagen, den Dienst quittierte und wir die restlichen Stunden in, mit Sicherheit orthopädisch fragwürdiger V-Position weiterschliefen.

 

Einen sehr schönen Männerstdturlaub nach Ngaoundéré, der Haupstadt der Provinz Adamaoua, unternahm ich mit zwei Mitfreiwilligen. Zwischen dem viel nördlicheren Ngaoundéré und der Hauptstadt Yaoundé existiert seit den sechziger Jahren eine Eisenbahnstrecke, die sehr viel dazu beiträgt, dass das langgestreckte Kamerun trotz eines bevölkerungsmäßigen „Lochs“ in der Mitte nicht außeinanderreißt. Ganz in diesem Sinne sind die Personenwagen zweiter Klasse des allnächtlichen Nachtzuges auch darauf ausgelegt, möglichst viele Menschen und das dazugehörende Gepäck aufzunehmen. Diese in die Wagen strömenden Menschenmassen suchen zunächst den Sitz, wobei die Platznummerierung zwei, für sich genommen beinahe unanfechtbare, Interpretationsmöglichkeiten lässt, was regelmäßig (zumindest auf unserer Hin- und Rückfahrt) hitzige Diskussionen nach sich zieht. Da aber ein Fahrgast auf einen Sitzplatz kommt, löst sich das Chaos nach bisweilen loriotesken Sitzplatzrochaden nach einer Weile auf.

Ngaoundéré ist eine sehr kleinstädtische Großstadt, in un um die mehr Rinder leben als Menschen. Es gibt einen Lamido (vergleichbar: Emir) und dessen prächtigen Palast und in der Umgebung, wie könnte es in Kamerun anders sein, hübsche Kraterseen.

Bemerkenswerter ist neben einzelnen Sehenswürdigkeiten aber die allgemeine Atmosphäre, die sich vom Süden und Westen Kameruns in mehrerlei Aspekten unterscheidet. Grund ist vor allem die islamische Prägung, und das äußert sich nicht nur in der großen Moschee am Ende der Hauptstraße sondern auch im Straßenbild. Der muslimische Kleidungsstil ist ein wenig anders, weit verbreitet ist ein langer, gemusterter, teilweise bunt bestickter Umhang, der in etwa das Äquivalent zu einem Anzug sein dürfte. Frauen sieht man seltener auf der Straße und wenn, dann mit farbenprächtigen Kopftüchern. Auch die Kulinarik wird durch den Islam beeinflusst, man findet zum Beispiel süßen und salzigen Jogurt, aber kein Schweinefleisch. Kochbananen serviert man im trockenen Norden weniger, dafür Blätter des Affenbrotbaumes.

Eine erzählenswerte Anekdote ist noch unsere Begegnung mit einem leidenschaftlichen Hobbysänger, der sich als Bühne den Hausberg Ngaoundérés herausgesucht hatte und dort auf halber Höher stehend Mozarts kleine Nachtmusik in die Stadtebene herausträllerte. Treuherzig wurde uns erklärt, dass sein Gesang in seinem Viertel störend wirke und er sich deshalb hierhin zurückziehe. Dabei hatte er aber wohl sein Stimmvolumen unterschätzt, denn wir konnten ihn, und zu diesem Zeitpunkt waren wir schon längst wieder in das Stadtgetöse eingetaucht, in der Ferne brüllsingen hören. Dass der einzige Bergläufer, der uns am Mont mit heftigem Gekeuche entgegenstampfte, ein Weißer war, hat mich erstaunlicherweise gar nicht mehr gewundert.

 

Die zwei Wochen, die mir nach meiner Rückkehr nach Bafoussam noch blieben, waren geprägt von Abschiedsbesuchen, dem Versuch, durch Integration einer vierten Hauptmahlzeit in den Tagesablauf möglichst viel kamerunische Speisen noch mal zu verzehren und Wohnungsputzorgien. Dass es ist nicht so klug ist, sich am vierten Tag vor dem Abflug noch eine Besteigung des zweithöchsten Berges Kameruns (Mt. Oku, erinnert oben an die schottischen Highlands, oder zumindest an meine Vorstellung von letzteren) in das Programm zu hieven, hatte ich schon davor vermutet, danach war es dann eine Gewissheit. Nach solchem Unsinn darf man sich nicht beschweren (man macht es trotzdem), wenn einen die To-Do-before-Departure- Liste zum Boden schrubben um zwei Uhr in der Nacht verdonnert.

 

Immerhin war ich so zu müde für sentimentalen Abschiedsschmerz.

 

Überblick über meine letzten Wochen in Kamerun.

 

Ein denkwürdiges Wochenende verbrachte ich mit Kumpel Marley  (22, absolviert Ausbildung zum Krankenpfleger) auf seinem Heimatdorf, wo sein Vater und seine Großmutter leben.

Schon die Hinfahrt war ein Erlebnis, denn der Fahrer, der uns mitnahm, hatte als weiteren „Fahrgast“ eine junge Kuh vorgesehen, die er mithilfe des Viehhändlers handlich gefaltet in den Kofferraum des mittelgroßen Toyotas quetschte. Wenigstens läuft diese Tierqual in Kamerun für jeden sichtbar am Rande des Marktplatzes ab und nicht wie in Deutschland hinter den hohen, unschuldigen Mauern  von Viehhöfen und Schlachtbetrieben. Dass der Mensch das Tier gelegentlich für wenig mehr als einen Gegenstand hält wird zumindest nicht versteckt.

 

Der Vater arbeitet als selbstständiger Kakao- und Kaffeebauer, da diese Tätigkeit aber nicht viel einbringt, bemüht er sich als Fernfahrer um Transportaufträge. An diesem Samstag stand aber Feldarbeit auf dem Programm und Marley und ich durften ihn begleiten. Die erste Schwierigkeit, mit der die Bauern des Dorfes konfrontiert sind, ist die teilweise gewaltige Entfernung zwischen Feldern und Siedlung. Wir gingen also zunächst 50 Minuten zu Fuß; teilweise über Waldwege, später steile Bergpfade hochkeuchend. Bizarr ist die unwirkliche Dichte an arbeitende Menschen im verlassen wirkenden Dschungel, oft entpuppt sich ein undurchdringbar scheinendes Baumgewirr als Feld oder Baumstück, hinter jeder Pfadbiegung begegnet man im scheinbarem Niemandsland einem anderen Bauern. Unser Ziel war ein Feld am Hang des „Mont Batoufam“, dicht bestanden mit Kaffee- und Kakaobäumen. Natürlich erfolgen hier diesen meisten Arbeiten, vor allem natürlich die Ernte, per Hand. An diesem Tag sollte aber nur ein Schädlingsbekämpfungsmittel an die Stämme der Bäume gesprüht werden. Diese Arbeit übernahm der Vater, Marley und ich droschen zunächst mit viel Motivation, aber bemitleidenswert planlos mit Macheten auf das teilweise hüfthohe Unkraut ein, als ich (typisch Stadtkind) zu Marleys Belustigung nach den ersten Hieben bereits eine Schwiele an der Handfläche hatten, verlegten wir uns auf das Sammeln von einer bestimmten Sorte Nüsse, genannt „Noisette“. Die restliche Zeit wurde über das Feld gestreift, unter Anderem fanden wir eine Affenananas, eine wilde Urform der uns bekannten Frucht, die noch über ein nachvollziehbareres Verhältnis von Schale und Fruchtfleisch verfügt und aber dennoch ausgesprochen süß schmeckt. Außerdem bestehen Kakaofrüchte gar nicht nur aus Kakaosamen (eigentlich logisch, aber wer weiß das schon), sondern auch über ein Fruchtfleisch das, angenehm zitronig-erfrischend schmeckt. Obwohl das gerne als Snack verzehrt wird, könnte man gar nicht so viel Fruchtfleisch verzehren, wie als „Abfallprodukt“ bei der Kakaoernte anfällt essen. Immerhin soll das Fruchtfleisch, wenn es noch an den Samen vergammelt, die Bitterstoffe aus dem Kakao ziehen.

Das Problem des Teufelskreises aus Verwendung von Ernteausfälle verhindernden Pestiziden und der dadurch verursachten Bodendegradation haben die Bauern aus Batoufam genau wie ihre deutschen Kollegen.

Spätnachmittags wohnten wir (wie gefühlt das gesamte Dorf) nach der Rückkehr aus dem Wald einem Fußballspiel auf dem Sportplatz bei. Viele Facetten waren erinnerten an die A-Klassenspiele der Isener Ersten, motivierte, aber technisch limitierte Hobbykicker, ein wenig obligatorische Schimpferei auf den Schiedsrichter und lauthals brüllende, aber im Endeffekt vergeblich herumkommandierende Trainer. Zu erwähnen ist noch die herzallerliebste Großmutter, die zwar ausschließlich den Dorfdialekt sprach, aber dennoch per Gestik es verstand, mir Essen anzubieten, wann immer ich an der (außerhalb des Hauses) gelegenen „Firekitchen“ vorbeikam- und das kam ich oft. Die Nächte waren, ganz ländlich, lang, aber gemütlich, zumindest bis drei Uhr der zweiten Nacht, als der Lattenrost des Doppelbettes, in dem Marley, sein Vater und ich lagen, den Dienst quittierte und wir die restlichen Stunden in, mit Sicherheit orthopädisch fragwürdiger V-Position weiterschliefen.

 

Einen sehr schönen Männerstdturlaub nach Ngaoundéré, der Haupstadt der Provinz Adamaoua, unternahm ich mit zwei Mitfreiwilligen. Zwischen dem viel nördlicheren Ngaoundéré und der Hauptstadt Yaoundé existiert seit den sechziger Jahren eine Eisenbahnstrecke, die sehr viel dazu beiträgt, dass das langgestreckte Kamerun trotz eines bevölkerungsmäßigen „Lochs“ in der Mitte nicht außeinanderreißt. Ganz in diesem Sinne sind die Personenwagen zweiter Klasse des allnächtlichen Nachtzuges auch darauf ausgelegt, möglichst viele Menschen und das dazugehörende Gepäck aufzunehmen. Diese in die Wagen strömenden Menschenmassen suchen zunächst den Sitz, wobei die Platznummerierung zwei, für sich genommen beinahe unanfechtbare, Interpretationsmöglichkeiten lässt, was regelmäßig (zumindest auf unserer Hin- und Rückfahrt) hitzige Diskussionen nach sich zieht. Da aber ein Fahrgast auf einen Sitzplatz kommt, löst sich das Chaos nach bisweilen loriotesken Sitzplatzrochaden nach einer Weile auf.

Ngaoundéré ist eine sehr kleinstädtische Großstadt, in un um die mehr Rinder leben als Menschen. Es gibt einen Lamido (vergleichbar: Emir) und dessen prächtigen Palast und in der Umgebung, wie könnte es in Kamerun anders sein, hübsche Kraterseen.

Bemerkenswerter ist neben einzelnen Sehenswürdigkeiten aber die allgemeine Atmosphäre, die sich vom Süden und Westen Kameruns in mehrerlei Aspekten unterscheidet. Grund ist vor allem die islamische Prägung, und das äußert sich nicht nur in der großen Moschee am Ende der Hauptstraße sondern auch im Straßenbild. Der muslimische Kleidungsstil ist ein wenig anders, weit verbreitet ist ein langer, gemusterter, teilweise bunt bestickter Umhang, der in etwa das Äquivalent zu einem Anzug sein dürfte. Frauen sieht man seltener auf der Straße und wenn, dann mit farbenprächtigen Kopftüchern. Auch die Kulinarik wird durch den Islam beeinflusst, man findet zum Beispiel süßen und salzigen Jogurt, aber kein Schweinefleisch. Kochbananen serviert man im trockenen Norden weniger, dafür Blätter des Affenbrotbaumes.

Eine erzählenswerte Anekdote ist noch unsere Begegnung mit einem leidenschaftlichen Hobbysänger, der sich als Bühne den Hausberg Ngaoundérés herausgesucht hatte und dort auf halber Höher stehend Mozarts kleine Nachtmusik in die Stadtebene herausträllerte. Treuherzig wurde uns erklärt, dass sein Gesang in seinem Viertel störend wirke und er sich deshalb hierhin zurückziehe. Dabei hatte er aber wohl sein Stimmvolumen unterschätzt, denn wir konnten ihn, und zu diesem Zeitpunkt waren wir schon längst wieder in das Stadtgetöse eingetaucht, in der Ferne brüllsingen hören. Dass der einzige Bergläufer, der uns am Mont mit heftigem Gekeuche entgegenstampfte, ein Weißer war, hat mich erstaunlicherweise gar nicht mehr gewundert.

 

Die zwei Wochen, die mir nach meiner Rückkehr nach Bafoussam noch blieben, waren geprägt von Abschiedsbesuchen, dem Versuch, durch Integration einer vierten Hauptmahlzeit in den Tagesablauf möglichst viel kamerunische Speisen noch mal zu verzehren und Wohnungsputzorgien. Dass es ist nicht so klug ist, sich am vierten Tag vor dem Abflug noch eine Besteigung des zweithöchsten Berges Kameruns (Mt. Oku, erinnert oben an die schottischen Highlands, oder zumindest an meine Vorstellung von letzteren) in das Programm zu hieven, hatte ich schon davor vermutet, danach war es dann eine Gewissheit. Nach solchem Unsinn darf man sich nicht beschweren (man macht es trotzdem), wenn einen die To-Do-before-Departure- Liste zum Boden schrubben um zwei Uhr in der Nacht verdonnert.

 

Immerhin war ich so zu müde für sentimentalen Abschiedsschmerz.

Eine Antwort auf die weltwaerts-Kritik

 

„Mehr Geld ist nicht mehr Entwicklung.“ Darüber sind sich heutzutage eigentlich alle Experten für Entwicklungszusammenarbeit einig. Dies bedeutet aber keineswegs, dass es zu den Programmen, die alternative, neue, experimentelle Formen der Entwicklungszusammenarbeit beinhalten, keinerlei Kontroversen gäbe. Besonderen Gegenwind erfährt das weltwaerts-Programm des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in dessen Rahmen junge Deutsche einen einjährigen Freiwilligendienst in einem Land des globalen Südens ableisten. Sowohl Fachleute als auch manche Medien sprechen dem Dienst jeglichen Nutzen ab, er sei ein reines Lebenslaufstyling für sinnsuchende Abiturienten, der zulasten der Empfangsländer gehe und dort Arbeitsplätze wegnehme.

Boulevardesk wird das Programm mit wenig gelungenen Halballiterationen als „Egotrip ins Elend“ (von Florian Töpel, SZ Magazin 19/2009) und „Selbstsuche im Slum“ (von Simon Hurtz, Zeit-online, 12.06.12, http://www.zeit.de/campus/2012/04/volunteers am 23.08.2017) diffamiert.

Höchste Zeit für eine energische Gegenrede.

 

In der Weltwaerts-Kritk heißt es nicht wie sonst so gerne „Die nehmen uns die Arbeitsplätze weg“, sondern „Die nehmen denen die Arbeitsplätze weg“. Deutsche Weltwaerts-Freiwillige würden also Posten, deren Besetzung durch Einheimische zum Abbau der Arbeitslosigkeit beitragen würde, egoistisch für sich beanspruchen. Auch in der Variante ist dieser Spruch nicht wahrheitsgemäß. Eine wichtige Vorgabe an die Aufnahmeorganisationen im Ausreiseland besagt, dass die Freiwilligen eine Ergänzung zum normalen Betrieb sein sollen und nicht eine tragende Säule. Dies kommt auch den Freiwilligen entgegen, denn ungelernt wie wir Freiwilligen sind, können wir uns so Aufgabenbereiche suchen, die uns liegen und rein durch Kreativität und Engagement zu bewältigen sind. Es wird doch wohl niemand ernsthaft glauben, dass die Gründung einer Umwelt-AG, die Initiierung eines Fuballtrainings oder das Abhalten von Spielenachmittagen Tätigkeiten sind, die Inhalte eines bezahlten Berufes sein könnten - auch in Deutschland wären dies Ehrenämter.

Die Kritiker gehen also davon aus, dass Menschen des globalen Südens so händeringend verzweifelt auf Arbeitssuche sind, dass die paar Dutzend Freiwilligenstellen mit ihren, wie oben dargelegt, für echte Berufe sowieso ungeeigneten Ehrenamtsprofilen, schädigend wirken könnten. Dies ist bei genauer Betrachtung kein wie von den Kritikern angenommen weitsichtiges Verständnis, sondern ein recht primitives und abwertendes.

 

Glaubt man den Gegnern, scheint der weltwärts-Freiwilluigendienst nur eine Anstrengung zu sein, um den Lebenslauf aufzustylen. Ironischerweise haben die Bedenkenträger mit diesem Vorwurf diesen Kritikpunkt erfolgreich selber entkräftet: Wer heute einen weltwaerts-Freiwilligendienst absolviert, muss sich, spätestens beim Vorstellungsgespräch, auf kritische Fragen gefasst machen. Umso besser für Freiwilligen, die nun endlich in der Position sind, zu beweisen, dass sie reflektiert und selbstkritisch in den Dienst gegangen sind, die Argumente gegen dieses Jahr sorgfältig mit den möglichen positiven Aspekten abwägend. Dass sich aber viele junge Menschen trotzdem dafür entscheiden, hieße aus Sicht der Kritiker im Umkehrschluss ja, dass es bedauerlich viele eiskalte Egoisten unter den Jugendlichen Deutschland gibt. Oder haben diese Freiwilligen etwas erkannt, was die Gegner nicht sehen wollen?

Auch den Personalchefs zu unterstellen, so leicht berechenbar zu sein, dass Bewerber mit Freiwilligendienst in einem „exotisch“ klingenden Land sofort einen Freifahrtsschein erhielten, ist nicht unbedingt sehr höflich. Vor allem, da wohl nur abgezählten Freiwillige das Glück habe, während des Freiwilligendienstes in einem Bereich tätig zu sein, der prompt für das spätere Berufsleben eine ideale Vorbereitung gewesen ist. Ist das dann Lebenslaufstyling?

 

Gerne bemäkelt wird an welt-waerts auch gerne, dass die Freiwilligen in Ländern des globalen Südens nicht willkommen seien. Natürlich ist meine Perspektive subjektiv und eigentlich sollte dies auch nicht ein Freiwilliger selber bewerten, aber ich hatte nie den Eindruck, Kamerun und seinen Einwohnern aufgezwungen worden zu sein. Viele Gesprächspartner zeigten eine enorme Wertschätzung für die  Anwesenheit der Freiwilligen, auch weil wir eben nicht nur dort sind um zu lehren, sondern auch um zu lernen, beschränkt nicht auf das „Geben“, sondern auch gerne bereit zum „Nehmen“ bzw. "Aufnehmen".

Was wäre das für ein destruktives Signal, in ein Land nur Entwicklungshelfer zu senden, immer getreu dem Motto „Schaut her, so macht man das und nicht anders“? Mit den Freiwilligen kommen auch junge Leute, die nicht zeigen, sondern sich vor allem etwas zeigen lassen wollen.

Was wäre das für eine Botschaft, in die ganze Welt hin Schüler auf Austäusche zu schicken, immer mit dem hehren Ziel der Völkerverständigung und des kulturellen Austausches, aber nach Afrika ausschließlich Helfer in der Not?

Es ist also goldrichtig, nun nicht mehr nur Entwicklungshelfer bzw –zusammenarbeiter zu schicken, sondern auch einen „entwicklungspolitischen Lerndienst“ einzurichten.

Mit dem weltwärts-Programm wird endlich zugelassen, dass die streng westliche Prägung der heute aufwachsenden Jugendlichen einen etwas globaleren Anstrich bekommt - in Zeiten der Globalisierung wohl für alle Seiten ein Gewinn.

 

Natürlich haben die Kritiker in einem Punkt zu hundert Prozent recht: Ein Entwicklungszusammenarbeiter bzw. politisch korrekt Internationale Fachkraft leistet wohl bessere Arbeit, wenn er intensiv ausgebildet ist und mit viel Berufserfahrung in den Dienst im Ausland gehen darf. Also sofort alle hinter den Ohren noch feuchten Abiturient*Innen abziehen und in lange Hörsaaljahre schicken, denn unausgebildete Jugendliche treffen eben kaum den Bedarf von Entwicklungsländer (vgl. Claudia von Braunmühl: weltwärts“ hilft deutschen Jugendlichen, nicht aber den Entwicklungsländern, weltsichten-Magazin für globale Entwicklung und ökumenische Zusammenarbeit, 30.01.10) An dieser Stelle begehen die Gegner aber eben doch einen kapitalen Denkfehler, denn wer davon ausgeht, dass die Freiwilligen als Entwicklungszusammenarbeiter*Innen tätig sein sollen, hat die Zielsetzung von weltwaerts  nicht verstanden oder nicht verstehen wollen. Die Freiwilligen sollen nicht als und schon gar nicht wie Internationale Fachkräfte agieren, sondern vielmehr zu einem Austausch auf kleiner Ebene beitragen und gegenseitiges kulturelles Lernen und Verstehen anregen. Das klingt reichlich schwurbelig und schwammig, aber genau dieses indifferente Spektrum ermöglicht es den Freiwilligen erst, auf ganz anderem Niveau einzutauchen als Entwicklungszusammenarbeiter*Innen. Diese haben kaum die Möglichkeit, längere Zeit in einer Gastfamilie zu leben, ja im besten Falle ein Teil von ihr  zu werden, diese werden schon allein wegen ihrer Funktion es schwieriger haben, Freundschaften zu Gleichaltrigen aufzubauen und wegen ihres Hintergrundes werden vielleicht auch lockere Feierabendgespräche unter Umständen zu dienstlichen Unterredungen.

 

Natürlich ist noch keine Freiwilliger nur durch den Dienst zum prädestinierten Entwicklungszusammenarbeiter geworden, aber es ist wohl niemals ein Schaden, wenn man in der Weltregion, in der man später eventuell  beim Aufbau von Schulen, in womöglicher leitender Position, die Bevölkerung unterstützt, schon mal in einer anderen Schule der Region das Klassenzimmer gefegt hat.

 

Angenommen, die kleinen Freiwilligenstrolche werden frecherweise doch keine Entwicklungszusammenarbeiter, weder bei einer NGO noch beim Bund. Projekt gescheitert, viel Geld rausgehauen, einen Versuch war es nicht wert?

Natürlich sind Freiwillige später gehäuft im Bereich der Entwicklungshilfe tätig, doch die vielen Ehemaligen, die einen ganz anderen Weg einschlagen, sind wertvoll für Entsendeland und Aufnahmeland. Jeder Freiwillige bleibt sein Leben lang emotional mit seiner Einsatzstelle verbunden, wovon beide profitieren. Und nein, diese Verbindung äußert sich nicht nur in mit Geld gefüllten Umschlägen zu jedem Weihnachtsfest, sondern in der wertvollen Vermittlung von Partnerschaften, durch Berichte der als Brückenbauer wirkenden Freiwillige werden Menschen im Land des globalen Südens zu konkreten Personen, Freiwillige wecken Interesse für die Einsatzstelle und die mit und in ihr agierenden Persönlichkeiten. Die Freiwilligen verstärken also nicht schädigende Abhängigkeiten, sie erschaffen viel mehr durch persönliche Bezüge eine Austauschebene auf Augenhöhe.

Sind die Erfahrungen der Freiwilligen an ihrer Einsatzstelle noch so subjektiv, war ihr Handlungsfeld noch so klein, können sie doch nach ihrer Rückkehr allein durch urteilfreies Berichten und faires Erzählen Klischees und Vorurteilen vorbeugen.

Auf den für jeden weltwaerts-Freiwilligen verpflichtenden Nachbereitungsseminaren werden diverse Möglichkeiten aufgezeigt oder auch im Freiwilligenkreis erarbeitet, wie ein längerfristiges, nachhaltiges, modernes, auf dem eigenen Dienst aufbauendes Engagement aussehen kann.

Auch im Kleinen und Nichtberuflichen können Freiwillige also sinnvoll aktiv werden- der Profit daraus lässt sich zwar vielleicht nicht in harten Euros bemessen, sollte aber nicht verächtlich von der Hand gewiesen werden.

 

Dies soll nicht vermitteln, dass die Idee „weltwaerts“ keine Fehler hätte, schließlich steckt das Gegenprogramm, also der Empfang von Jugendlichen des globalen Südens als Freiwillige in Deutschland noch in Kinderschuhen und ebenso ist das Problem, dass weltwaerts-Angebote vor allem von Abiturient*Innen wahrgenommen werden, noch nicht gelöst. und natürlich werden Freiwillige in Einzelfällen  Aufgaben anvertraut, für die sie nicht qualifiziert sind.

 

Nichtsdestotrotz, Kritik, die sich nicht gegen einzelne Aspekte, sondern gegen das gesamte Programm richtet, ist, wie aufgeführte Argumente gezeigt haben, überzogen, unüberlegt und abwertend - und zwar Freiwilligen, Aufnahmeländern und dem BMZ gegenüber.

 

Mehr Freiwillige sind (auch) nicht automatisch mehr Entwicklung, aber weniger Freiwillige wären das voreilige Verwerfen eines sinnvollen und nachhaltigen Projektes.

Soziologischer Blick über den Tellerrand

 

Zur Mittagszeit schießen in der Innenstadt und in der Nähe großer Arbeitgeber Unmengen an Mamies (frz.; Oma; natürlich dürften nicht alle der Köchinnen Omas sein, aber ist  doch auch in Deutschland die Formulierung „wie bei Muttern“ eine Auszeichnung- die Mamies sehen es so) aus dem Boden, die an die hungrigen Angestellten, Arbeiter und anderweitig Schuftende Mittagessen verkaufen. Die Preise sind hierbei auch aus kamerunischer Sicht moderat, sie dürften auf Deutschland übertragen mit denen vergleichbar sein, die in einfachen Kantinen verlangt werden.

Das Essen wird natürlich nicht vor Ort zubereitet, sondern es werden riesige Eimer herangeschleppt. Man nimmt diese Mahlzeit auf Bierbänken zu sich, Tische gibt es selten, dafür hat man die eigenen Knie

Es gibt kaum bessere Gelegenheiten, um etwas über die kamerunische Gesellschaft, die hier im Kleinformat zusammenkommt, zu lernen.

Zunächst muss festgestellt werden, dass eben wirklich eine Minigesellschaft sich um die Eimer versammelt. Abgesehen von der absoluten Elite isst hier fast jeder, vom Motofahrer (zu erkennen am Polarforscherlook, bestehend aus dicker Schutzjacke, Mütze und Handschuhe) über den Bauarbeiter (nur er darf dreckige Schuhe haben, bei allen Anderen würden bei so einem Vergehen die Augenbrauen hochgezogen) und den Polizisten (logischerweise uniformiert und bewaffnet) bis zum Bankangestellten im Anzug.

Es ist aber egal, wie dick die Geldbörse ist, über den Preis wird immer eine Bemerkung gemacht. Liegt er bei 350 FCFA, wäre natürlich 300 noch gerade so akzeptabel. Verkauft die Mamie das nächste Mal für 300 FCFA, wäre natürlich 250 FCFA ein viel angemessenerer Preis. In den meisten Fällen nützt alles Lamentieren aber nix und es drängt sich der Eindruck auf, dass das Grummeln über den Preis eher ein lieb gewonnenes Ritual ist. Vielleicht stimmt dieser Eindruck sogar, aber dass auch hundert Franc hier fast niemand einfach so verschleudern kann, ist wohl leider auch Fakt.

Die Standardantwort der Mamies ist klug gewählt, denn mit ihr wird ausgeschlossen, dass jemand auf die Idee kommen könnte, sie würde selbst zu viel Profit machen. Irgendein Rohmaterial ist auf jeden Fall gerade verhältnismäßig teuer und wird in den Satz „Le/La/Les _____ est/sont cher“ eingefügt. Die Auswahl des gerade unverschämt überteuerten Lebensmittel wirkt stets etwas willkürlich, vor allem da bei Gerichten, die nur aus Grundnahrungsmitteln bestehen, der Satz auch gerne zu „Tous est cher“ umgewandelt wird. Einen wahren Kern haben diese Aussagen aber sicher auch.

Vor allem bei Reis, der ja bekanntlich, wenn überhaupt, nur in riesigen Mengen satt macht, wird auf dem Teller ein Gebirgsmassiv aufgetürmt, durch das dann ein Soßenmeer nicht auch noch Platz finden würde. Das ist aber nicht zum Nachteil des Kunden, denn nach Abtragung der ersten Schichten des Berges schenkt die Mamie, ohne die Miene zu verziehen, Soße nach.

Beim Essen ist die kamerunische Gesellschaft tief in zwei einander feindlich gegenüber stehenden Gruppen gespalten. Die eine besteht aus fanatischen Anhängern des sogenannten Maggi-Cubes, einem Würzwürfel (schönes Wort), der alle Chemikalien, die die Lebensmittelindustrie aufbieten kann, in sich vereint und somit das unbestrittene Meisterstück in der Produktpalette von Maggi darstellt. Was die übermäßige Verwendung dieser Cubes besonders in Kamerun so zu einer Tragödie macht ist, dass parallel zum Cube weiterhin die fantastische Vielfalt der kamerunischen Gewürze für die Bereitung der Gerichte verwendet wird und der Cube aber dann, für den kopfschüttelnden Beobachter völlig unnötigerweise, noch obendrauf gesattelt wird. Und so gibt es auch die leidenschaftlichen Gegner der Chemiebombe, und das sind beileibe nicht nur Personen aus der Bildungselite. Vertreter beider Ideologien prallen bei jeder Mamie aufeinander und diskutieren lebhaft die Thematik, wobei es niemandem paradox erscheint, dass sie dennoch dieselbe Soße löffeln- Gegessen wird eben, was auf den (nicht vorhandenen) Tisch kommt, ob mit Aromastoffen und Giftsalzen oder ohne. Die Mamies selber halten sich nachvollziehbarerweise sowieso bedeckt, wenn es um ihre eigene Zugehörigkeit zu einer der Gruppen geht.

Natürlich müssen bei viel Umschlag irgendwann die Teller gewaschen werden, was meist in zwei kleinen Schüsseln auf dem Boden, einer mit Spülwasser, einer mit Klarwasser geschieht, wobei das Wasser mit Kanistern vom nächsten Wasserhahn oder von der nächsten Brunnenpumpe herangeschleppt wird. Trotz dieses Improvisoriums sind die gespülten Teller gerne sauberer als in so manchen Absteigen in Deutschland. In der Stoßzeit zwischen 12 und 14 Uhr ist der Tellerwäscher schwer am Rödeln, oft übernimmt in der Ferienzeit eine Tochter diesen Job. Größte Bewunderung verdienen  Mamies, die diese Arbeit nebenbei schaukeln, parallel zur Essensausgaben, zum Kassieren, zur Preisverteidigung und natürlich auch zum Smalltalk.

Als weißer Freiwilliger bei einer Mamie einzukehren, beginnt leider mit einem kleinen Ärgernis, denn oft wird einem, auch wenn eigentlich drei Gerichten zur Auswahl stünden, nur Reis mit Soße vorgeschlagen. Das liegt nicht an etwa daran, dass die Mamies mundfaul wären, sondern viel eher daran, dass es natürlich absolut abwegig ist, dass der weiße Knirps sowas wie Waterfufu, Couscous Mais oder Taro kennt, geschweige denn isst. Wenn man dann aber doch überzeugend dargelegt hat, dass einen der Teller Waterfufu mit Erru (Maniokknödel, serviert mit viel Öl und ein wenig Grünzeug) nicht vor unlösbare Probleme stellen wird, reagieren die meisten Kameruner freudig überrascht und loben mit Sprüchen wie „mit der Experementierfreude könnte er auch unter Wasser überleben“.

Für Vegetarier ist Kamerun Paradies und Hölle zugleich. Paradies, weil Fleisch und Fisch Luxusprodukte sind, die man sich nur in kleinen Mengen leisten kann und deshalb die meisten Gerichte (scheinbar) auch ohne Fleisch und Fisch „funktionieren“. Dies steht im Gegensatz zur deutschen Hausmannsküche (zumindest der der letzten fünfzig Jahre), in der Fleisch die wichtigste Komponente der Mahlzeit ist zu der es eben nur wortwörtlich „Beilage“ gibt.

Beim normalen Teller für 300 bis 400 FCFA ist normalerweise kein Fisch und schon gar kein Fleisch dabei. Dennoch ist Kamerun für strenge Vegetarier/Veganer die Hölle, denn trotz gerade beschriebener Sparsamkeit mit tierischen Produkten, ist zumindest Trockenfisch als Würzmittel in jeder Soße, gerne wird auch mit etwas bevorrateter Fleischbrühe verfeinert. Da diese Vorgehensweise beim Kochen standardmäßig ist, stellt es sich als große Herausforderung dar, eine Mahlzeit zu finden, die wirklich gänzlich ohne Fleisch und Fisch auskommt.

Es soll übrigens nicht der Eindruck entstehen, dass ausschließlich Männer bei Mamies einkehren. Klar, bei Mamies die -durchaus klug- neben Baustellen oder Raiffeisen-Lagerhäusern (heißen hier natürlich Quincaillerie) verkaufen, speisen natürlich vor allem männliche Klienten. Dagegen auf dem großen Markt (kreativ Marché A genannt), wo natürlich auch Frauen so manche Boutique schmeißen, nehmen natürlich auch weibliche Berufstätige ihr Mittagessen bei einer Mamie ein oder lassen sich den Teller in ihre Boutique liefern.

Wenn es geschmeckt hat, verabschiedet man sich mit einem freundlichen „À la prochaine“ („Bis zum nächsten Mal“) und geht gesättigt zurück an die Arbeit, die sich nun mit einem zu 234% gedeckten Tagesbedarf an Fett (darunter geht nix) viel leichter bewältigen lässt.

 

Im Rahmen des Bewerbungsverfahrens für die Katholische Journalistenschule des ifp (Institut zur Förderung publizistischem Nachwuchses) in München wurden alle Kandidaten aufgefordert, eine Probereportage zu verfassen. Eines der zur Auswahl stehenden Themen war das Treffen bzw. die Begleitung eines Politikers bzw. einer Politikerin.

Da ich ein überzeugter Anhänger des kräfteschonenden und nachhaltigen Texterecyclings bin (sprich: ich bin faul), kann man nun im Folgenden den von mir eingereichten Artikel nachlesen:

 

 

Die nonkonforme Konformistin

 

 

 

Die Eliten essen unser Geld“: Das ist noch eine nettere Variante der zahlreichen verächtlichen Sprüche, die viele Kameruner über die vermeintlich korrupte, volksfremde und arrogante politische Klasse des zentralafrikanischen Landes äußern. Besonders die Handlungen der Regierungspartei RDPC (Rassemblement du Peuple Camerunais) und des ihr angehörende autokratische Dauerpräsident Paul Biya gelten als bestes Beispiel, was gerne als „Bad Governance“ bezeichnet wird. Doch wie verhalten sich die so verrufenen Politiker privat bei sich daheim im persönlichen Gespräch? Ein Besuch bei Géneviève Tjoues, Senatorin und Mitglied des RDPC-Vorstandes. Von Matthias Ogiermann

 

 

 

Wenn man im Wohnzimmer der Familie Tjoues steht, wüsste man auch ohne persönliche Anwesenheit der Senatorin sofort, welche Person hier wohnt und was sie arbeitet. An jeder Wand zeugen große Farbphotos von den schönen und repräsentativen Seiten des Berufes: Madame schreitet über einen roten Teppich, Madame schüttelt einem jungen Präsident Paul Biya die Hand, Madame schüttelt einem nicht mehr ganz so jungen Präsident Paul Biya die Hand etc. Auf dem Couchtisch dagegen liegt in Form von dicken Mappen der „Kommission des Senats für konstitutionelle Gesetze“ der graue Politikeralltag.

 

Auf der beigen Couch neben besagtem Couchtisch sitzt in lässiger Sonntagnachmittagshaltung Senatorin Geneviève Tjoues und kommt so langsam ins Erzählen.

 

 

 

Und sie hat auch wirklich etwas zu erzählen, ist sie doch eine der wenigen Politikerinnen Kameruns, deren Weg nicht durch eine Geburt in einer Oberschichtfamilie vorgezeichnet war. Im Gegenteil, sie hat „der Welt gezeigt, dass man auch als Waisenkind aus ärmlichen Verhältnissen auf dem Gipfel ankommen kann“. Sie deutet auf ein Photo von sich, in Denkerpose und reich dekoriert an einer Festtafel sitzend: „In solchen Momenten sinniere ich darüber, ob das wirklich ich bin.“

 

Tatsächlich verbringt sie ihre Jugend im Waisenhaus unter Obhut der Schwesterngemeinschft Saint-Esprit in Edea – ein um das Handgelenk baumelnder Rosenkranz verweist auf die christliche Erziehung.

 

 

 

Als sie 1997 in das Assemblée Nationale gewählt wird, steht sie als eine der zehn Frauen einer hundertsiebzigköpfigen männlichen Abgeordnetengruppe gegenüber, was ungünstig erscheint, schließlich sei Politik ein Kampf, auch, Madame Tjoues beugt sich bedeutungsvoll nach vorne, „zwischen Mann und Frau“. Unerschrocken streitet sie dennoch für mehr Frauenrechte und angemessenere politiche Repräsentation Und das Ringen erbringt so manche Frucht, schließlich sitzen in der momentanen Legislaturperiode bereits 45 Frauen im Parlament. Um den Prozess fortzusetzen, wurde außerdem eine Frauenquote von 33,3 % für jede Kandidatenliste von Kommunalebene an festgeschrieben.

 

 

 

Nach den nachmittäglichen Gesprächen sinniert man, gesättigt von einem Abendessen mit den Luxuslebensmitteln Pizza und Äpfeln und erfrischt durch die erste Wäsche mit warmem Wasser seit langem im großzügigen Gästezimmer noch lange darüber nach, ob es wohl zum Frühstück morgen wirklich wie versprochen Croissants geben werden wird. Und ein bisschen auch darüber, ob dieser Gedanke wohl viele anderer Kameruner in diesen Minuten bewegt.

 

 

 

Die kaum zu erschüttern scheinende Macht des Präsidenten („Son Excellence“) Paul Biya beruht vor allem auf einem fein gewebten Netz aus Unterstützern, die er durch liberale Reformpolitik einerseits, andererseits aber auch durch ein mafiöses Netz aus Abhängigkeiten an sich gebunden hat. Senatorin Tjoues gehört eindeutig zu der Gruppe, die ihm wegen seiner Reformpolitik treu ist: Als „Mann mit Herz“ habe er seit seinem Aufstieg ins Präsidentenamt „die Frauen verstanden und ihnen im Kampf für mehr Rechte geholfen“.

 

Es entsteht ein wenig der Eindruck, als würde diese Dankbarkeit die Politikerin blind für die negativen Seite des Präsidenten machen: Obwohl sich Biya seit fünf Amtszeiten an sein Amt klammert, hätte Madame Tjoues nichts gegen eine Wiederwahl Biyas im nächsten Jahr 2018, denn so „kann er sein Werk vollenden“.

 

Das kamerunische Magazin „Aurore Plus“ übt Kritik, als es 2013 der Politikerin attestierte, für Paul Biya keine Gefahr darzustellen und unverhohlen eine Verbindung zwischen dieser Tatsache und ihrer Nominierung ins Senatspräsidium herstellte.

 

Senatorin Tjoues gibt sich pragmatisch und konstatiert, dass man „nun mal ins Machtzentrum müsse, um etwas zu bewegen“. Dieses Zentrum ist seit Ewigkeiten die ehemalige Einheitspartei RDPC.

 

 

 

Am Montagmorgen begleitet einen der Wachmann bis zum schweren Grundstückstor. Als die Tür hinter einem ins Schloss fällt, sieht das Auge junge Männer, die an einem kleinen Stand am Straßenrand Second-Hand-Hosen verkaufen, nimmt das Ohr plötzlich lautes Taxigehupe war, erfühlt die Nase die staubige Luft – und dass Gehirn meldet, dass man nun wahrscheinlich wieder im wirklichen Kamerun ist.

 

 

 

Am sechsten Juli erreicht sie, das ehemalige Waisenkind aus der Kleinstadt, mit der Ernennung – natürlich durch ihren Präsidenten Paul Biya – zum „Grand Officier de l´Ordre de Valeur“ (vergleichbar: Bundesverdienstkreuz) endgültig den politischen Olymp Kameruns. Unerreicht wird jedoch ihre Fähigkeit bleiben, gleichzeitig eine rebellische Feministin aus armen Verhältnissen und elitäre sowie linientreue Parteisoldatin zu sein – nonkonform konform eben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Man stelle sich vor, die Elemente der deutschen Entwicklungszusammenarbeit lägen alle in einem, etwas unordentlichen, Bauchladen aus. Diesen Bauchladen, vorne steht groß BMZ (Bleibt. Möglichst .Zuhause) drauf, hat ein etwas dicklicher Mann umgeschnallt. Er trägt einen viel zu großen Sonnenhut, schwitzt darunter aber mitleidserregend. Kein Wunder, schließlich ist er schon den ganzen Tag in Afrika, heute in Kamerun, unterwegs, um sein Angebot bekannt zu machen.

 

Dieser Mann ist übrigens Deutschland.

 

Nun entwickelt sich ein Gespräch zwischen ihm und einem weiteren Mann- nennen wir ihn Kamerun:

 

 

 

K: Dass Sie immer noch andauernd zu uns kommen....

 

D: Nun ja , wir wollen eben nicht dass Sie kommen, verstehen Sie?

 

K: Nicht ganz. Kann ich ihnen helfen?

 

D: Das wollte nun gerade ich Sie fragen. Haben Sie vielleicht Interesse an einem sensationellen Produkt unserer Entwicklungszusammenarbeit. Sie würden die Annahme eines unserer Angebote gewiss nicht bereuen, es ist alles von hervorragender, wenn nicht sogar deutscher Qualität. Und ganz nebenbei, bei der Hitze hier nicht unerheblich, würden sie mir damit den Bauchladen bisschen erleichtern

 

K: ...und das schlechte Gewissen noch dazu, was ? Naja, dann zeigen Sie mir doch mal ihre Neuheiten.

 

D: Was ich Ihnen wirklich ans Herz legen kann, ist diese exzellente Sache hier. Erst 2008 konzipiert, aber schon 20.000 Mal gerne genommen, auch schon in Kamerun. Es handelt sich um junge, engagierte Menschen, die en Jahr freiwillig einen Dienst in ihrem Land leisten. Und schauen sie sich das an, sie sind so flexibel, so vielseitig einsetzbar, jeder mit anderen Qualitäten.

 

K: Toll, endlich mal professionelle Helfer, die nicht von Deutschland aus gelenkt werden, sondern von uns eingesetzt werden können, wie wir es für sinnvoll halten. Welche Experten können Sie uns den bieten?

 

D: Nun ja, die Flexibilität begründet sich darin, dass diese Freiwilligen eben noch gar nichts gelernt haben...die meisten haben gerade erst das Abitur hinter sich gebracht. Wie ich sagte, maximale Flexibilität.

 

K: Und maximale Sinnlosigkeit. Sie haben also erkannt, dass eines der Hauptproblem in Kamerun die riesige Anzahl von ungelernten, arbeitslosen Jugendlichen ist. Und dann schicken Sie ungelernte, arbeitslose Jugendliche zu uns? Nun gut, ich esse auch immer Bohnen, damit die Blähungen besser werden.

 

D: Jetzt werden sie bitte nicht zynisch. Es ist unsere dringende Vorgabe, dass diese Freiwilligendienst leistenden nicht Einheimischen die Arbeitsplätze wegnehmen. Sie sollen ihre Einsatzstelle facettenreicher, vielfältiger, mehrdimensionaler- also einfach ergänzend wirken.

 

K: So wie am Cersom, Sie wissen schon, der Gehörlosenschule in Bafoussam? Wo die Freiwilligen gleich drei von sieben Lehrkräften am Collège stellen. Na herzlichen Glückwunsch, wenn das das Ergebnis Ihrer dringenden Vorgabe ist, dann kann ich Ihnen versichern, dass wir auch ständig die dringende Vorgabe an unsere Beamten aussprechen, nicht korrumpierbar zu sein- klappt auch sehr gut.

 

D: Die Ausnahmen bestätigen doch immer die Regel...das Cersom ist in finanzieller Hinsicht einfach vor Problem gestellt, die es nicht möglich machen, weitere Lehrer einzustellen. Nur deshalb werden die Freiwilligen so eingesetzt.

 

K: In anderen Worten, ohne die uneigennützige Hilfe der edlen deutschen Nichtskönner könnten die ihre Klitsche also schließen?

 

D: Das habe ich so nicht gesagt....

 

K: Aber toll, wie Sie Abhängigkeiten schaffen und damit das Prinzip der „Hilfe zur Selbsthilfe“ wahrnehmen. Können wir jetzt bitte zu den positiven Punkten dieses Produktes kommen?

 

D: Sie machen es mir wirklich nicht einfach...aber jetzt kommt der absolute Trumpf: Sie können nicht leugnen, dass diese jungen Frauen und Männer zur Völkerverständigung beitragen, einfach indem sie ihre Ideen einbringen, aber auch versuchen, die Perspektiven ihrer Einsatzstelle nachzuvollziehen versuchen. Das ist kultureller Austausch auf jeder Ebene.

 

K: Ach ja, auf jeder Ebene? Dann besteht die deutsche Jugend anscheinend nur aus weiblichen Abiturientinnen ohne Migrationshintergrund? Denn bisher kommen nur solche Exemplare... Ist ganz nett, aber uns wäre mit jungen Schreinergesellen, Bäckerlehrlingen und so weiter, Leuten, die also wissen, was harte Arbeit ist, vielleicht mehr geholfen als mit Schulbankdrückern aus wohlhabendem Elternhaus, die so Fachbegriffe wie Desertifikation, Bevölkerungsexplosion, Slumbildung nach gemeisterter Erdkundeklausur auch mal praktisch erfahren wollen.

 

D: Offiziell steht das Programm jedem offen...

 

K: Offiziell ist Paul Biya auch demokratisch legitimiert...

 

Verraten Sie mir bitte mal, wieso ihre tollen Helfer in der Not dann pünktlich nach einem Jahr frohgemuts das Flugzeug zurück in die Heimat entern, glücklich den ganzen weinenden Kindern zuwinkend, die schon wieder einen liebgewonnen Freund gehen lassen müssen. Wirklich helfen könnten diese Leute doch erst ab einem Aufenthalt von, sagen wir mal, drei oder vier Jahren.

 

D: Nun hören Sie mal, wer will schon länger als ein Jahr nur kalt duschen, die Wäsche immer von Hand waschen, auf Fertigprodukte gänzlich verzichten, jede Nacht wissen, dass es nicht wirklich einen Rettungsdienst gibt? Das....das wäre ja...

 

K: Genau, das wäre das wirkliche Afrika, das diese Abenteurer so gerne hautnah erleben würden. Wissen Sie, wie man das nennt, wenn man mit Rückflugticket in der Tasche irgendwo ohne konkreten Plan hinreißt und auf viel neue Erfahrungen hofft? Ich gebe ihnen einen Tipp: Es fängt mit T an und hört mit ourismus auf. Nur das dieses Reisen vom Staat bezahlt wird.

 

D: Ach da machen Sie sich mal keine Sorgen. Das Geld wird vielfach wieder zurückfließen, wenn diese Experten erstmal für uns als erfahrene Afrikaexperten profitable neue Handelsverträge mit Ihnen aushandeln.

 

K: Tut mir leid, wahrscheinlich bin ich einfach mit diesem Produkt einfach überfordert...aber mir will partout nicht ein einziger Vorteil einfallen, den ich unter Umständen haben könnte.

 

D: Das macht nix, das Denken soll man ja den Pferden überlassen.

 

Und überlegen Sie mal: Die Freiwilligen können nach ihrer Rückkehr engagierte Botschafter für Ihre jeweilige Einsatzstelle sein und über Fundraising der finanzielle Mittel erwirtschaften. Davon profitieren Sie dann aber, das müssen sie zugeben.

 

K: Vor allem gebe ich zu, dass ich schon beeindruckt bin, wie sie uns mit immer gewiefteren Methoden ausbeuten. Früher kamen Sie für billige, aber wertvolle Rohstoffe her, heute zur Aneignung von Softskills. Nicht schlecht, nicht schlecht.

 

D: (hatte sein Smartphone gezückt und eifrig daruf rumgetippt) Entschuldigen Sie, ich muss heute noch ein bisschen weiter...nehmen Sie jetzt für das nächste Jahr wieder einige Kandidaten?

 

K: Es bleibt zwar fraglich, wer da jetzt genau von wem mit wessen Hilfe entwickelt wird, aber auch wir können uns der Entwicklungshilfe ja nicht verschließen. So fünfzig bis sechzig Stück würde ich nehmen.

 

D: Sehen Sie, wer will schon junge Menschen daran hindern, sich in einem fremden Land bessere Zukunftschancen zu sichern- das kann ja niemand wollen.

 

Auf Wiedersehen.

 

 

 

 

 

 

 

Diese Glosse von Mathias Oigermann erschien am 06.06.2017 auf unserer Website matthias-in-kamerun.jimdo.com.

 

Matthias Ogiermann ließ bereits verlauten, dass er in Kürze auf demselben Wege eine Gegendarstellung veröffentlichen wolle. Als unvoreingenommene Internetseite werden wir ihm natürlich den dafür benötigten Raum einräumen.

 

Die Redaktion

 

 

 

 

 

 

Kein Kühlwasser, Kreditkarten-Klauer, Knie, Kurztrip Kumbo- konsequent komplatt k.o.

 

 

 

Es ist Freitag, der 12. Mai um 15:44. Seit sieben Tagen gibt es plötzlich nur noch Themen mit K als Anfangsbuchstaben. Aber der Reihe nach: Letztes Wochenende brach ich zu einem Kurztrip über zwei Nächte nach Kumbo auf. Um dorthin zu gelangen, kann man entweder die gut befahrene Schlaglochpiste über Bamenda nutzen oder die Schlaglochpiste über Foumban, die aber wenigstens ab Foumban nur unregelmäßig bedient wird. Da das Leben in Kamerun ja so arm an Abenteuern ist, wählte ich die Route über Foumban. Mein Geldbeutel entschied sich aber bereits ab Foumbot zu einer Individualreise mit fremden Taschen als Ziel. Wer den Geldbeutel dahin eingeladen hat, weiß ich nicht, aber so schwer kann es nicht gewesen sein, war doch meine Bauchtasche wegen kaputtem Reißverschlusses zeitweise zum Selbstbedienungsbauchladen geworden. Nicht klug.

 

 

 

Schlaue Leute haben aber ihre eigentliche Reisekasse nicht im Portemonnaie, sondern an sonstigen Stellen am Körper versteckt. Da zuviel Intelligenz aber ja wiederum arrogent ist, hatte ich daruf verzichtet, meine Kreditkarte an unauffälligem Ort zu deponieren. Geld war also noch da, Geldnachschub nicht mehr. Hätte man mir fairerweise die Wahl gelassen, hätte ich wohl anderes vorgeschlagen- und der Verhandlungspartner wohl auch.

 

Wenigstens hatte ich aber das Glück, dass in Foumban das Auto zu einer annehmbaren Zeit (16:00 Uhr) voll wurde und es losging in Richtung Kumbo. Die spätnachmittäglichen, in Sonnengold gebadeten Landschaften waren aus dem fahrenden Auto heraus wunderschön- als der Motor das erste Mal zu kochen anfing waren die fast unbesiedelten Gegenden bis zum Horizont aber eher provokant. Es wurde also Kühlwasser nachgefüllt, dessen zusätzliche 5kg Gewicht aber den Reifen zum Platzen brachten. Dieser konnte aber rasch durch einen Ersatzreifen (Die fünf Nanometer Profiltiefe dieses zweiten Reifens löste schicksalsergebene Heiterkeit unter den Fahrgästen aus) ersetzt werden

 

Es wurde Abend, es wurde Nacht. Die von Mitfahrern geäußerten Befürchtungen vor auf dieser Strecke nicht unüblichen Überfällen nahm ich aus unerfindlichen Gründen recht entspannt zur Kenntnis. Unserem nicht beneidenswerten Fahrer muss man lassen, dass er es mit bedrohlich dampfendem Motor immer noch exakt so gerade bis zur nächsten Wasserstelle schaffte.

 

Nach fünf Stunden Fahrt kamen wir endlich in Kumbo an. Vier herbeigeilte Motofahrer versuchten sich daran, die von mir Ortsfremden natürlich falsch ausgesprochene Quartiersbezeichnung in jeder möglichen Tonlage und jeder denkbaren Variation zu wiederholen, um vielleicht herauszufinden welche Stelle ich denn eventuell meinen könnte. Der Sieger dieses skurrilen Wettbewerbs durfte mich dann auch zum Freiwilligenhaus transportieren, wo ich die seit längerer Zeit beste Nudelpfanne bekam.

 

Kumbo ist ein Hochrisikogebiet, in dem man ständig begleitet sein sollte- keine Sorge, eben Genanntes gilt nur für mich und auch nur, da Kumbo im anglophonen Teil Kameruns liegt. Mein Englisch war sowieso nie gut, und es hilft auch wenig, dass ich mittlerweile im Zweifelsfall die halbe Aussage schon auf Französisch heraus habe, bis mir einfällt, dass ich ja eigentlich etwas auf Englisch sagen wollte. Auch verstehe ich recht wenig: Wer auf die, zugegeben etwas genuschelte, Frage: What´s your name?“ mit dem Brustton der Überzeugung „Fine“ antwortet, sollte sich fragen, ob er der gewissen Gehörlosenschule wirklich das passende Fach unterrichtet. Erwähnte, benötigte Begleitung hatte ich ja aber zum Glück in Form der Mitfreiwilligen.

 

Wer Mitfreiwillige besucht, dem muss klar sein, dass er nur teilweise ein Tourismusprogramm erwarten kann und unter Umständen sogar selber in anfallende Arbeiten an der jeweiligen Einsatzstelle eingebunden wird. Aber das macht man dann gerne, vor allem wenn es so interessante Arbeiten wie das Aufräumen einer Schulbibliothek sind. Freuen tun einen selbst hier hin gelangte Klassiker der Weltliteratur. Auch wenn die vier ältlichen Exemplare von „In achtzig Tagen um die Welt“ es wohl nicht mehr weiter als nach Kumbo, Nordwestkamerun, bringen werden. Vor Ehrfurcht erschaudern lassen einen so bedeutende Werke wie „Fünfzig Arten des Weinanbaus“. Nerven kann einen, dass ein „Klassensatz“ Englischbücher hier bedeutet, dass man über zwanzig verschiedene Lehrbücher von verschiedener Güte verfügt. Und kopfschüttelnd lassen einen die nicht auszurottenden Bücher, die unter Anderem Homosexualität verteufeln, zurück. Nach drei Stunden Arbeit standen zwar immer noch genauso viel Bücherstapel in der Gegend herum, diese waren aber, und das erkennt zumindest derjenige, der geordnete hat, viel ordentlicher sortiert als zuvor.

 

Dass es auch im hinterletzten Eck Kameruns kulinarische Überraschungen gibt, beweist der Coffeshop mit Pizzasteinofen vom (kamerunischen) Mister Edwin, der hinter seinem Tresen auch einen Wimpel der Brauerei Aying hängen hat und leidenschaftlich über die Brotauswahl in Kamerun lästern kann.

 

Ach ja, wo wir schon bei kulinarischen Überraschungen sind: Im Departement von Kumbo gibt es die einzige Käserei Kameruns, gespeist mit Milch von Kühen der Fulbe-Hirten. Diese Minimanufaktur schlägt alle deutschen Äquivalente- zumindest was die Höhenlage angeht, denn immerhin liegt das Fabrikgebäude auf einer frischen, aber traumhaften Hochebene in über 2000m Höhe. Der Produktionsraum kann vielleicht als die sauberste Küche Kameruns bezeichnet werden, selbst das Tütchen mit den Knabbererdnüssen wurde für die (kostenlose!) Privatführung für uns drei Freiwillige plus kamerunischer Begleitung schnell verschwinden gelassen. Hier werden pro Tag ca. 250 Becher mit Naturjogurt (heißt in Kamerun: kein Fruchtgeschmack, aber natürlich gezuckert) hergestellt: mit Milch aus Kamerun, Maschinen aus Frankreich, Chemikalien aus den USA und Bechern aus China. Die Besucher aus Deutschland bekamen dann jeweils einen Gratisbecher zur Verkostung und, nachdem der Chef, abwesend, aber in Kenntnis unseres Besuchs, nochmal angerufen hatte, noch zusätzliche 20 Gratisbecher geschenkt.

 

Nach der Besichtigung und dem obligatorischen Foto mit drei der insgesamt sechs Beschäftigten fuhren wir zurück nach Kumbo. Da ich ja meine Lektion aus der Hinfahrt gelernt hatte, brach ich pflichtbewusst eine ganze Stunde eher auf als am Freitag: ich kam dann sogar schon um 20:30 in Bafoussam an. Kurioserweise war auf dieser Fahrt nicht eine besonders schlechte Straße beteiligt an der Verzögerung- diesmal war die Straße zu gut, will sagen, der Teer musste noch eintrocknen, was eine Stunde Wartezeit zur Folge hatte.

 

 

 

Bereits am Samstag hatte mich ein ominöser Anruf eines Mannes aus Foumbot erreicht, der zwar sowohl des Englischen als auch des Französischen mächtig war – beides aber leider auf beinahe unverständlichem Niveau. Er behauptete, soviel verstand ich dann doch, sämtliche Karten, die in meinem Portemonnaie gewesen waren, „gefunden“ zu haben und schlug ein Treffen zur Übergabe im Laufe des folgenden Woche vor. Zur Erklärung: ich hatte den Beleg vom Kauf meiner Sim-Karte mitsamt also meiner aktuellen Telefonnummer noch im Geldbeutel.

 

Eine vertrackte Situation, denn natürlich hätte es sein können, dass die Menschheit doch besser als ihr Ruf ist, aber auch nicht ganz unwahrscheinlich war, dass der Dieb nach der Kreditkarte nun zusätzlich noch an den PIN-Code heranwollte. Nach längerem Hin- und Her sollte dann mittwochs gegen Mittag ein Treffen stattfinden. Dummerweise ohne den Mann darüber zu informieren, nahm ich als Begleitung den sympathisch-eloquenten Chef des Collège, Emile, als absichernde Begleitung mit, der sich mit seinem kleinen Bierbauch und seinen furchterregenden 1,60 m für diese Bodyguardaufgabe wahrlich anbietet. Ironischerweise war es dann der Vorschlag des Mister X in Foumbot, sich vor dem „Commissariat“ zu verabreden. Leider war es dann aber doch nicht ganz einfach, denn per weiterem Anruf lotste mich der Mann an der Straße entlang in Richtung des Gare Routière, Emile beschattete mich in einigem Abstand. Dort angekommen erreicht mich wieder ein Anruf: stocksauer warf man mir vor, mit einer Armada Polizisten gekommen zu sein. Dass meine Begleitung nur aus einem Kollegen bestand, und nicht aus „beaucoup de policiers“ wollte mir mein Gesprächspartner nicht abnehmen. Auch der Motofahrer, bei dem ich mich kurz zuvor nach dem Wegerkundigt hatte, war natürlich ganz offensichtlich ein Zivilbeamter der Eliteeinheit und bis an die Zähne bewaffnet.

 

Nachdem Emile lange beruhigend auf den aufgebrachten Mann eingeredet hatte, passierte etwas, was mir noch lange als sehr positive Erfahrung in Erinnerung bleiben soll. Dass der Mann, ob irrational oder nicht, stur an seiner Verschwörungstheorie festhielt- geschenkt. Dass er aber dennoch bereit war, die Karten, eine persönlichen Übergabe ersetzend, statt sie einfach wegzuwerfen, an einem bestimmten Ort in Foumbot zu deponieren, ist aller Ehren wert. Und die eine Stunde Sucherei in der Mittagshitze in den Gassen Foumbots, also Das in-gebückter-Haltung-den-Boden-den-Boden-sondieren und Jedes-Bonbonpapier-umdrehen und natürlich das Dabei-dumm-angeglotzt-werden erinnerte mich Nostalgiker wenigstens stark an vergangene Geocache-Jagden in Bayern, auch das Ende war wie immer beim Cachen: eigentlich ist das gesuchte Versteck das alleroffensichtlichste. Obwohl die Ortsbeschreibung doch als sehr vage zu bezeichnen war....aber mit Kreditkarte in den Händen waren alle Mühen auch schnell vergessen.

 

Noch ein Dankanruf beim „Finder“, verbunden mit einer letzten Schimpftirade, danach zurück nach Bafoussam. Merke: Begleitung, mag sie noch so harmlos sein, immer ankündigen.

 

 

 

Wer aufgepasst hat, dem dürfte aufgefallen sein, dass der Begriff „Knie“ in den Ausführungen bisher fehlt: Nun ja, das rechte schmerzt. Aber ich vermag auszuschließen, dass es einfach am Fußballtraining auf knallhartem Lehmboden liegt. Auch kann es nicht sein, dass die Beschwerden durch das Fehlen der eifrig abgelatschten Sohle meiner Halbschuhe aufgekommen sind.

 

Diese Erklärungen wären beleidigend simpel. Ich suche also weiter nach einer total einleuchtenden, Aufmerksamkeit erheischenden Lösung.

 

 

 

 

Mutternbesuch.

 

 

 

Hefte raus, Klassenarbeit. Schreibe eine dilettantische (ach nee, dialektische) Erörterung zum Thema „Besuch der alten Mutter“ (frei nach F. Dürrenmatt) beim Freiwilligen in Kamerun“.

 

 

 

Samstag, der 08.04.17, Flughafen Yaoundé-Nsimalen, Kamerun, um 20:30. Mutter und Sohn fallen sich nach sieben Monaten das erste Mal wieder glücklich in die Arme. Nichtsahnend, dass es sie 13 entbehrungsreiche Tage vor sich haben, die beileibe nicht nur ein einziger Hochgenuss sein werden (aber teilweise eben schon).

 

Schon auf dem Weg zurück mit dem extra für Fahrt zum und vom Flughafen privat georderten (auf der Hinfahrt hieß „privat“, dass ich einen ganzen Platz für mich alleine hatte) der erste Höhepunkt: Zwar sind laut R. Zorner-Ogiermann die abendlichen Straßenzüge Yaoundés denen „in Tansania so ähnlich“, dennoch muss diese vermeintliche Symmetrie gleich mit gefühlt hundert Fotos dokumentiert werden (Obwohl der Versuch, mit Fotos das dynamische und ständig durcheinandergewirbelte Verkehrschaos festzuhalten, am ehesten der Quadratur des Kreises nahekommt).

 

Andererseits folgte nach der Fahrt ein so deliziöses Feinschmeckerabendessen (im AirFrance- Flieger gab es zur Mahlzeit auch einen Minicamembert, den meine Mutter nicht verzehrt, sondern in Kenntnis meines Käseentzuges mitgenommen hatte), dass sich schon zu diesem Zeitpunkt der Besuch gelohnt hatte.

 

Die perfekte Kompromiss aus kulinarischer Annäherung an Kamerun und zugleich Wahrung der empfindlichen Gesundheit von hygieneverwöhnten Europäern ist immer ein Spaghettiomelette-Frühstück. Denkt man sich zumindest als Reiseführer (und nebenberuflich Sohn) im Hinblick auf die Gestaltung des ersten Frühstücks und sucht deshalb eine kochende Mamie auf dem Markt auf. Beim besten Willen nicht rechnen kann besagter Guide aber damit, dass sich die blauäugige Mutter einen leckeren Kaffee zum Omelett bestellt- dieser ist aber natürlich in Kamerun mit warmgemachten (also nicht abgekochtem) Leitungs-/bzw. Brunnenwasser hergestellt. Aber wie mir erklärt wurde, sorge man ja mit einer halben Tannacomp-Tablette als Prophylaxe sorgsam vor. Passiert ist aber zum Glück wirklich nichts schlimmes.

 

Schön am Besuch ist immer, wenn man damit so ein Stück Heimat geschenkt bekommt, nicht nur in Form von Essbarem. Auch bestimmte Verhaltensweisen der Besucher können einen wohltuend an zuhause erinnern. Klar, die Besteigung des Mbam-Minkom-Massivs in der Nähe der Haupstadt Yaoundé hatte durchaus Unterschiede zu einer Tour in den Alpe auf, so bin ich zum Beispiel noch nie mit dem Mototaxi zum Ausgangspunkt gefahren, noch macht in den Alpen ein Chef (übertragen wohl Bürgermeister) Rambazamba, wenn man ohne davor eine nicht geringe Geldsumme abgedrückt zu haben, den Berg besteigt. Aber genau wie bei einer Wanderung in den Alpen benutzte Ruth ihre präferierte Strategie: Wenn ich schon nach 5 Prozent das Nörgeln ( à la „das schaffe ich niiieeemals“) anfange, werde ich sicher bis zum Gipfel mit ausreichend Durchhalteparolen versorgt und kann die eh schon immense Bewunderung meiner Person (also, als Frau diesen Alters usw.) nochmal potenzieren. Auf der durchaus steilen und anspruchsvollen Wanderung passierte aber (Klappe, die zweite) auch nichts schlimmes, doch pünktlich nach Ankunft im Viertel des Hotels verschwand Ruth mit einem spitzen Schrei im Regenabflussgraben (circa halber Tiefenmeter) Obwohl dieser Vorfall wieder mal beweist, dass der afrikanische Großstadtdschungel gefährlicher sein kann als noch so nasse und verwachsene Pfade in der Dschungeloriginalausgabe.... Passiert ist aber, von einem Schrecken (auch, und vor allem, für den Guide...) nichts schlimmes (Klappe Numero drei).

 

Meine Mutter ist übrigens affengeil. Und das meine ich ernst. Denn schließlich beschreibt diese Adjektiv ganz gut Ruth Gemütszustand während unseres Besuchs des Schimpansenwaisenaufzuchtzentrums in Marienberg. Das wurde zunächst während der kaum zehnminütigen Wartezeit („Mannomann, ich will jetzt endlich die Affen sehen, was ist denn los“), dann aber auch beim vergnügten Spiel und der Fütterung der Babys im angrenzenden Wald deutlich. Während ich dem ganzen wenig abgewinnen konnte, turnte Ruth doch recht ausdauernd mit den Affen herum, nur ab und zu aus dem Spielfluss aufschreckend mit der Aufforderung, ich solle doch bitte paar Fotos machen, sie wolle u n b e d i n g t ein Profilbild mit einem Schimpansen.

 

Und ganz offensichtlich trug Tomate, das zutraulichste der Affenkinder, auch keine Flöhe mit sich herum, denn zum Beispiel so etwas Schlimmes passierte dann auch auf der Affeninsel nicht (Jetzt sind wir bei vier)

 

Für die Homöopathieindustrie wird 2017 garantiert ein grandioses Geschäftsjahr, denn allein die Menge an Globuli, die sich Ruth regelmäßig als Übelkeitsprophylaxe vor jeder Fahrt mit einem öffentlichen Verkehsrmittel einwarf, dürfte dazu beitragen, den Umsatz der Pharmaunternehmen zu doppeln (Für Insider: Cucculus D6). Aber so hatte sie genug Zeit und Muße, sich innovative Neuregelungen für die Fahrttarife auszudenken: „Also die da müsste doch mindestens für zwei Sitze bezahlen“. Wo sie recht hat, hat sie recht. Allerdings ist sie so ein kleines Bisschen auch selber dran schuld, dass sich automatisch und unvermeidlich die vollschlanksten Personen neben uns niedergelassen haben: Wer so schlank ist, lockt natürlich eher Leute mit gegenteiligen Figuren in die immer zwingend mit fünf Leuten zu besetzende Sitzreihe. Zerquetscht wurden wir aber offensichtlich nicht, passiert ist auch sonst nix Schlimmes (Episode 5)

 

Gelohnt hat sich der Mutternbesuch aber auch sehr, da ich so für meinen Pseudounterricht das erste Mal etwas wie eine Supevision bekam. So erfuhr ich Sachen die mir selber nie aufgefallen wären- „also diese Sauklaue da an der Tafel könnte ich auch nicht lesen.“ Vielleicht erklären diese kleinen Unsauberkeiten im Tafelanschrieb, wieso die SchülerInnen mit Vorliebe zum Beispiel „boy“ und „bag“ verwechseln. Müsste ich mal darüber nachdenken.

 

 

 

Heißt es nicht immer, das Wichtigste, was man zu sagen hat, solle man an den Schluss stellen? Gut, dann passt dieser Absatz wohl hier am besten hin: Ich bewundere meine Mutter für ihren Mut, sich für zwei Wochen nach Kamerun, noch dazu unter der Obhut eines fragwürdigen Guides, zu begeben, ich danke ihr für ihre Leidensfähigkeit, durchaus strapaziert in übervollen Bussen, im hektischem Straßengewimmel und durch gewöhnungsbedürftiges Essen als auch für ihre Bereitschaft, selbst ohne Kenntnisse der Gebärdensprache, sich auf so etwas wie Teamteaching einzulassen.

 

Zusammengefasst lässt sich sagen: Diese zwei Wochen waren mindestens unter den 52 schönsten dieses Jahres.

 

 

 

 

 

Ein Vorteil hat das bis zum heutigen Tag nicht feststehende Ausreise-/Einreisedatum (je nach Perspektive) ja: Das Bergfest lässt sich nicht genau bestimmen, was doch die Auswirkungen der Mid-Year-Crisis (Symptome: Sprachstörungen/Balbuties- Im Satz „Was, :::::::: noch ein halbes Jahr?“ wird das Wort an zweiter Stelle immer so sehr verschluckt, dass nicht zu erkennen ist, ob es sich hierbei um ein „nur“ oder ein „immer“ handelt) erheblich zu mildern vermag.

 

Dennoch kann man es sich erlauben, wenigstens etwas Bilanz zu ziehen, vor allem da es durchaus auch Freiwilligenpaare gibt, die schon zum jetzigen Zeitpunkt monströse Fotocollagen an ihre Wände geklatscht haben- das ist zwar schön, mir reicht aber etwas Statistik:

 

  • Ungefähr alle zwei Wochen wische ich unsere Wohnung, oder bei geringer Motivation nur Teile davon, was bedeutet, dass diese zeitraubende Tätigkeit in etwa bereits ca. dreizehn Mal ausgeführt wurde. Allein diese Zahl zeigt erbarmungslos meine Naivität auf: Sollte die Wohnung wirklich sauber sein, wäre ein tägliches Wischen von Nöten, hätte also schon 160 Mal passiert sein müssen. Da ich mich aber meines Wiss(ch)ens nach nicht zum hauptamtlichen Saubermachen bis nach Kamerun begeben habe, ist eine Bodenpflege im 24-Stunden-Rhythmus natürlich nicht machbar.

    Aber strenggenommen könnte man es in diesem Fall es dann auch gleich ganz bleiben lassen, denn beim bisherigen Verfahren konnte man sich einen ganzen Tag über einen blitzblanken Boden freuen, um dann die restlichen dreizehn Tage bis zum nächsten Anlauf wieder durch eine milimeterdicke Staubschicht zu waten.

    Das einzig Positive ist, dass ein bemerkenswerter praktischer Mensch sich beim Bau unserer Wohnung in Anbetracht des überall durch die Luft wabernden roten Staubes für eine rötlichen Betonboden zumindest für das Wohnzimmer entschieden hat. So fällt es leicht, den Dreck zu „übersehen“.

  • Die Mamie, die in der Mittagspause dreimal die Woche die Lehrerinnen, Freiwillige und vereinzelt auch mal eine(e) zur Abwechslung liquide(n) SchülerIn versorgt, ist von ausgesuchter Kreativität: Zweimal die Woche serviert sie Reis mit Erdnusssoße, um ihre Kräfte vollständig für die Zubereitung der verbliebenen Mahlzeit bündeln zu können.

    In Matthias O. sind dementsprechend seit dem 30. August ungefähr 6 bis 8 Liter Erdnusssoße verschwunden. Bestimmten Inhaltsstoffen gefiel es dann übrigens auf den Rippenbögen so gut, dass sie es vorzogen, etwas länger dort zu bleiben. Aber daheim gibt es ja wieder, gerne auch zweimal die Woche (gell Ruth), Nudeln mit Tomatensoße- das soll auf Dauer förderlicher für die Gesundheit sein.

  • Ich darf davon ausgehen, dass meine 6ème mittlerweile ungefähr 40 Englischvokabeln im Hirn abgespeichert haben- eine Zahl, auf die sowohl Lehrer als auch SchülerInnen stolz sein dürfen, denn immerhin erschließt sich aus dieser Zahl das beieindruckende Lern- unde Unterrichtstempo von 1,5 Vokabeln pro 120-minütiger Doppelstunde. Wahrhaft berauschend.

  • Geschlagene zwölfmal war ich während der ersten sechs Monaten Kamerun bei einem Arzt (wohlgemerkt in fünf verschiedenen Praxen), was eine Schnitt von einem medizinischen Ausflug in zwei Wochen ergibt. Diese Zahl ist im Vergleich zu anderen Freiwillgen deutlich erhöht, was einerseits daran liegt, dass Matthias aus Unsicherheit, Angst, Panik und Langeweile (Diagnose: Hypochondrie) jede sich bietende Gelegenheit zum hier bei jeder Art von Beschwerde angeordneten Blut- bzw. Stuhltest wahrgenommen hat (Mein Fußballtrainer sagte immer: „Die jungan vo heit bloam scho dahoam, wenn eahne a furz drugt) andererseits aber auch gleich in den ersten Monaten Bindehautentzündung und Amöbenruhr von der To-Do-Liste streichen wollte.

    Mit Stolz blicke ich aber auf den Februar zurück, den ersten Monat ohne Visite bei einem Gott in Weiß. Obwohl, jetzt wo ich seit mehrern Stunden auf den Laptopbildschirm starre (Studienwahltests dauern gefühlt länger als eine eine Vorlesung über „23 verschieden Sandalenarten im antiken Rom“), schon auffällt, dass mein linkes Auge etwas juckt. Muss unbedingt morgen zum Arzt bevor ich endgültig erblinde, denn das wäre bei meiner momentanen Tätigkeit (und auch sonst) eine ungünstige Entwicklung.

  • Null Prozent. So sehr war ich davon überzeugt, in Kamerun eine Eingebung in Sachen Studiengang und -ort zu haben. Für die restliche Zeit rechne ich nicht damit, dass sich daran etwas ändert. Und dabei sind die Einschreibungsfenster meist schon im Juni wieder zu.

     

 

 

Viel unterwegs im Januar

 

 

 

Auf den geruhsamen Strandurlaub in Limbe folgte mit dem zusammen mit Kumpel Patrick unternommen Aufenthalt in der pulsierende Hafen- und Handelsstadt Douala ein Kontrastprogramm. Sage aber niemand, in Kamerun seien die bei Touristen beliebten Städtetrips nicht in bekannter Form möglich, denn auch hier kann man in gemütlichen Hotels mit Frühstück schlafen, auf aussichtsreiche Kirchtürme steigen, sehenswerten Kirchen einen Besuch abstatten, einen geführten Rundgang im Hafen unternehmen und natürlich interessante Museen abklappern.

 

Naja, ein paar unbedeutende Kleinigkeiten sind dann doch etwas anders: Das Hotel ist wirklich gemütlich, allerdings fand das auch eine gut genährte Ratte, die es sich unter dem Bett gemütlich gemacht hatte. Das Aufeinandertreffen mit uns minderte dann aber doch für beide Seiten den Wohlfühlfaktor- sogar so stark, dass das Nagetier es vorzog, ohne Gruß vorzeitig abzureisen. Frühstück gibt es wie gesagt, aber nicht im Hotel, sondern man hat die vorzüglichen Spaghettiomelettes von der Mamie auf der gegenüberliegenden Straßenseite abzuholen. Auf den zu erklimmenden Kirchturm wird sogar im Reiseführer hingewiesen, allerdings scheint seit dem Aufenthalt des Autors niemand mehr an einer Besteigung Interesse gehabt zu haben. Zumindest war der Treppenaufgang mit zentimeterdickem Staub bedeckt und der untere Teil der Stiege mit allerlei Gerümpel zugestellt.

 

Der Gedanke, dass die Verbarrikadierung des Aufgangs aber unter Umständen gar nicht zufällig ist, sondern aus Sicherheitsgründen den Aufstieg erschwert, schießt einem dann aber mit Karacho erst durch den Kopf, wenn man ganz oben steht und verleidet einem den Blick über die Innenstadt. Dank unserer Dickköpfigkeit ergab sich aber auch für den netten älteren Herren , der seit vielen Jahren in der Kirche als Mesner tätig ist, die Gelegenheit, das erste (!) Mal auf den Turm zu steigen. Auf jedem Treppenabsatz wurde zwar mantrahaft der wenig beruhigende Satz „J´ai un peu peur, hein“ wiederholt, dennoch folgten sie (Mantra und Mesner) uns mit dann doch siegender Neugier bis ganz oben.

 

Ein anderes Gotteshaus ist auch von innen, vor allem wegen der hohen, eleganten Holzdecke sehenswert, allerdings zieht man als Fotos schießender Touri den Ärger der Betenden auf sich und wird rücksichtslos herausgeschmissen- ein erstaunlicher Kontrast zu europäischen Kirchen, in denen Touristenströme wie Schafherden durchgeschleust werden und an ein stilles Gebet nicht zu denken ist. Mit diesem Gedanken in Kopf trollten wir uns auch rasch und ohne Widerworte.

 

Selbst Hafenführungen kann man „buchen“, indem man lange genug vor der das Hafen- und Industriegelände begrenzenden Sicherheitsabsperrung mit sehnsuchtsvollem Blick herumhampelt, um dann mit Hilfe eines Praktikanten der Zollbehörde unter Vorgabe von an den Haaren herbeigezogenen Gründen den begehrten Einlasswisch zu bekommen. So nah an riesige Containerschiffe werde ich wohl mein Lebtag nicht mehr kommen.

 

Bleiben noch die Museen (vor allem das recht neue „Musée Maritime“), die standardgemäß auf Minusgrade heruntergekühlt werden und in denen man eigentlich immer gänzlich alleine ist- mit Ausnahme des kostenlosen Privatführers.

 

Ach ja, die deutsche „Schmuddelsupermarktkette“ SPAR hat ihre mit Abstand größte und edelste Filiale übrigens an der Stadtautobahn von Douala, Kamerun.....

 

 

 

Auf den Trubel in Douala folgten zwei ruhige Nächte bei einer Mitfreiwilligen in Nkongsamba (verschlafenes Städtchen, aber dank einiger Kolonialgebäude und einer wuchtigen Markthalle ganz pittoresk), die in einer Schwesterngemeinschaft wohnt.

 

Die Preise für Übernachtungen und, zugegebenermaßen schmackhafte Mahlzeiten waren aber eher weltlich.

 

Auch nicht billig, aber allemal lohnend war der Ausflug zu den „Chutes d´Ekom Nkam“ (Wasserfälle von Ekom (naher Ort) und Nkam (zugehöriger Fluss)), die zwar nicht ganz die Höchsten Afrikas sind, wie unser Guide ausdauernd beteuerte, aber wenigstens mit 80 Metern die Höchsten Kameruns und Kulisse für den weltbekannten Film „Tarzan“. Seit unserem Besuch sind sie auch in Wikipedia-Liste der höchsten Wasserfälle der Welt für Interessierte zu finden....

 

Etwas vergleichbar mit der Situation in Museen, tummelt sich auch hier ein respektabler Haufen an Guides, Parkranger und Angestellten der Bar, um sich um die durchschnittlich zwanzig bis vierzig Touristen in der Woche zu kümmern.

 

Da man an einem solchen Tag ja noch nicht genug Geld herausgehauen hat, folgte am Nachmittag der erste „deutsche“ Kaffeehausbesuch in der Bäckerei Nkongsambas. Die probierten Kuchen konnten zwar nur mit Abstrichen überzeugen, dennoch war stellten diese Stunden einen entspannten Abschluss der Reise dar. Nach einem Abendessen (mit Schwestern) wurde dann noch etwas gepokert (ohne Schwestern), in Ermangelung von Chips mit wortwörtlich naheliegenden Utensilien wie Malariamedikamenten und Feuchttüchern, bevor es am nächsten Morgen zurück in das heimatliche Bafoussam ging. Die letzte Erkenntnis des Urlaubs war dann, dass man vor einer längeren Reise doch lieber noch den Müll herausbringen sollte...

 

 

 

 

Ein bewegtes Jahr geht entsprechend zu Ende

 

 

 

In Bafoussam leben fünf Freiwillige aus Deutschland. Vierzig Prozent davon durften sich über rechtzeitig angekommene Pakete inklusive Geschenke freuen. Das ist, bedenkt man den langen Weg, die Verzögerungen am Zoll, und die Tatsache, dass die Mitarbeiter Filiale der CamPost in Bafoussam lobenswert auf eine Burn-Out-Prävention achten, eigentlich ein ganz guter Schnitt. Ich gehörte leider zur marginalen Minderheit derjeniger, die sich erst im Januar an einem Geschenk und Zahnbelastungstestplätzchen aus Deutschland erfreuen durften.

 

Und mit harten Plätzchen hatten wir (also zwei Mädchen der Nachbareinsatzstelle und ich, die Feiergemeinschaft für den heiligen Abend) uns, keine Sorge, schon zu Genüge selber eingedeckt. Sind halt nach vier Monaten dann doch etwas aus der Backübung gekommen, scheint es.

 

Gänzlich unbeschenkt bin ich aber auch nicht geblieben, denn nachdem Marie und ich nicht müde wurden, uns bei jedem Abendessen über das Fehlen eine schönen, urdeutschen Glases Gewürzgurken auf dem Tisch zu beklagen, kam dann bei der Geschenkauswahl der Spruch „Zwei Deppen, ein Gedanke“ zum Tragen.

 

Ein heiliger Abend ohne Familie ist durchaus ungewohnt und gewöhnungsbedürftig, aber gewiss keine traurige Angelegenheit: Und es finden sich immer Kompromisse, so war von Anfang an fest ausgemacht, dass sich zwischen 21 und 22 Uhr jeder in eine andere Ecke verkrümelt, um mit der sehnsüchtig wartenden Familie in Deutschland zu skypen. Davor und danach war dann ganz unbeschwertes Beisammensein möglich- die Mischung macht´s in diesem Fall. Einziges Manko war, dass mich in letzter Minute dann doch noch das „Last Christmas“-Geträller erwischte. Soll uns aber niemand als Banausen bezeichnen: Als brave deutsche Freiwillige wurde pflichtbewusst auch der Ouvertüre des Weihnachtsoratoriums gelauscht, zumindest während der Gemüseschnippelei fürs Abendessen.

 

 

 

Am ersten Weihnachtsfeiertag beginnt der Gottesdienst gnädigerweise erst um acht Uhr, für den Pfarrer sogar erst um halb neun. Zu der Feier ist nicht allzuviel zu sagen, nur dass ich -das erste Mal- statt der auch an Weihnachten unumgänglichen, sonst erfrischend dynamischen und von mir sehr geschätzten, Party-, Trommel-, und Krakeelsongs gerne auch ein ruhiges, getragenes Weihnachtslied gehört hätte- aber ist wohl nicht drin.

 

Danach nahm mich Gastvater Innocent mit aufs Dorf Bamendjou, sein Heimatdorf, wo sich der Rest der großen Familie bereits versammelt hatte und, wie es schien, seit Tagen nur mit Kochen beschäftigt war. So bestand dann auch der gesamte Nachmittag in unregelmäßigen Gängen zum überbordenden Buffet, für das der von Marie und Marie beigetragene Kuchen (innen flüssig, außen dick und schwärzlich gepanzert) nicht unbedingt eine Bereicherung war. Am Abend war er dann trotzdem auch zur Gänze verspeist worden.

 

Zwischendurch stand der Besuch bei der Dorfältesten, einer Freundin von Innocents verstorbener Mutter, auf dem Programm, deren für Kamerun ungewöhnlich hohes Alter von 88 Jahren einen ehrfürchtig aufmerken lässt. Als sie bemerkte, wie ich wegen Überfüllung bei den angebotenen Ignames (Kartoffelähnliche Wurzel, nur besser) zögerte, wurde ich belehrt: „Wenn wir auf dem Dorf etwas zu essen sehen, essen wir“- nicht ganz so amüsant war der Nachschub: „Wir haben ja keine Wahl“.

 

Diese Aussage speist sich aber wohl auch aus den Erfahrungen der Frau aus der Vergangenheit- selbst bei größerer Armut in vielerlei Hinsicht (Wohnen, Hygiene, Zugang zu Bildung und Medizin) ist in Kamerun Nahrungsmangel auch aus Sicht von objektiven Beobachtern selbst in ländlichen Regionen das geringste Problem.

 

 

 

Auch in Kamerun sind also die Weihnachtsfeiertage eine einzige Mästerei, aber dieses Jahr konnte ich mich wenigstens darauf berufen, dass vor einer Expedition auf den 4100m hohen Mount Cameroon (lokale Bezeichnung: Fako, also ganz ohne Pathos „Streitwagen der Götter“). Die Wohnung eines sehr leidensfähigen Mitfreiwilligen aus Buea wurde am 26. Dezember folglich kurzzeitig zurm Basislager umgestaltet. Am 27.12 brachen dann zwei Freiwilligentrupps (eine für die Vier-Tages-Tour, die andere für die Drei-Tages-Tour- der viel bedeutendere Unterschied war aber, dass erstere Erdbeermarmelade zum Frühstück bekam, die andere nicht...) von der sogenannten Upper Farm in Buea auf. Von dort gerechnet lagen 3000 Höhenmeter vor uns. Die ersten ging man durch Felder, immer wieder mit Blick auf den ehemaligen deutschen Gouverneurspalast, der heute als Residenz des Präsidenten dient (der sich aber trotz des schönen Palastes selten zu einem Besuch im anglophonen Teil Kameruns herablässt). Nach fünf Minuten wurde schon die erste Bananenpause eingelegt- hier könnte unserem bemitleidenswerten Guide Hans schon geschwant haben, was auf ihn zukommt. Bis zur ersten Schutzhütte auf dann 1800m führt der Weg durch dichten, malerischen Urwald, wobei er so dicht ist, dass man vom malerischen Aspekt gar nicht mehr soviel mitbekommt. Auf dieser Höhe herrschen auch noch tropische Temperaturen, was diese erste Etappe zu einer schweißtreibenden Angelegenheit macht. Nach dem Mittagessen (es gab ernsthaft Schmelzkäse- für den gezahlten Preis darf man solchen Luxus aber vielleicht auch erwarten) war dann doch erstaunlich rasch die Baumgrenze erreicht. Vor dem Wanderer öffnet sich dann der Blick auf unendliche Savannenhänge, in der Ferne teilweise schon von an der schwarzen Farbe erkennbaren getrockneten Lavaflüssen durchzogen. Ernüchternd wurde es dann zu diesem Zeitpunkt, dass man selber hechelnd im Schneckentempo einen Fuß vor den anderen setzte, während einen nach und nach die Porter der beiden Gruppen überholten- mit einem 30kg- Rucksack auf dem Rücken und -leider stimmt das Klischee- teilweise leichten Sandalen an den Füßen. Unsere Porter waren zwischen 18 und 36 Jahre („papa“) alt, meist aus Buea oder Umgebung und voller Hass auf ihren (Neben)job, der ihnen aber wenigstens seit einem vor wenigen Jahren abgeschlossenen Wandel eine akzeptable Summe einbringt. Viele wurden gefragt, wie oft sie schon oben waren- aber es gehört wohl zum Ehrenkodex der Porter, nicht mitzuzählen.

 

Bis hoch zum Intermediate Hut kommen noch Kameruner aus spirituellen Gründen, danach gehört die Landschaft endgültig Wanderern, mit ihren Guides und Portern, und vor allem dem unbarmherzig zu pfeifen anfangenden kühlenden, kühlen, kalten, schweinekalten Wind. Die deutlich auseinandergezogenen Gruppenteile trafen zwischen 16 und 18 Uhr in Hut 2, der „Schutzhütte“ für diese Nacht ein, die meisten schon im dicken Pulli. Leider bin ein paar Jahre zu früh geboren, denn wo heute noch in Zelten (Wanderer) oder ganz im Freien (Porter) genächtigt wird, entstehen für den Bergtourismus recht konfortable Schlafhütten (Wanderer...).

 

Im Gegensatz zu europäischen Mehrtagestouren wird auf dem Mount Cameroon aber dann zum Abendessen keine Tütensuppen aufgerissen, sondern frische Tomaten (plus die obligatorischen Selleriestangen, Zwiebeln, Knoblauch, Kräuter) zu einer, immens leckeren, Tomatensoße verarbeitet und ein ganzes Hähnchen zerlegt. Das alles natürlich auf offenem Feuer und mit Holz von frisch geschlagenen Nationalparkkrüppelkiefern.

 

 

 

Statt der angekündigten fünf Uhr war am nächsten Morgen -selbst dort oben ganz kamerunisch entspannt- um sieben Uhr Wecken und danach Frühstück. Der Vormittag bestand hauptsächlich in der Abwägung, ob man lieber bei sieben Schichten bleiben soll und dafür ein schweißnass am Körper klebendes T-Shirt in Kauf nimmt oder ob man doch lieber trocken bleibt, aber davon dann wegen des vor Kälte tauben Oberkörpers nichts mehr mitbekommt.

 

Schutzhütte drei auf 3400m gegen Mittag errreicht zu haben ist eine tolle Sache, zum Beispiel öffnet sich ein schöner Blick auf die Geröllfelder bishin zu einem Vorgipfel, nur wird das Ganze etwas vermiest, wenn der Guide missgelaunt verkündet, dass man normalerweise um diese Uhrzeit schon wieder vom Gipfel aufbricht. Für einen Blick in den Krater des letzten Ausbruches war dann aber trotzdem Zeit, danach kroch man mit dem Schwefelgeruch in der Nase die letzten Meter bis zum Gipfel.

 

Die Freude war auch deswegen groß, da es von den insgesamt fünfzehn Freiwilligen der Gruppe alle bis nach oben geschafft hatten- das ist keine Selbstverständlichkeit. Beim Abstieg in Richtung Süden stellt der aufmerksame Wanderer fest, dass der Mount Cameroon aus einer riesigen Hochebene besteht, auf der einzelne Hügel zu finden sind, von denen dann wiederum der Höchste der Gipfel des Massivs ist. Deshalb durchwanderte man auch an diesem Nachmittag lange ohne Höhenverlust dieses gewaltigem menschenleere, deswegen beinahe märchenhafte Höhenplateau.

 

Eine eigentlich gar nicht vorgesehene Gratiszugabe war später die zweistündige Nachtwanderung unter einem atemberaubenden Sternenhimmel. Erst um acht Uhr erreichte meine Vier-Tages-Tour-Truppe den zweiten Schlafplatz an der Mann´s Spring (benannt nach dem deutschen Forscher Gustav Mann), wo sich die immer recht flotte Drei-Tages-Tour-Mannschaft bereits seit drei Stunden aufhielt. Der Verweis auf den Sternenhimmel minderte den Spott nur ein wenig...

 

Am dritten Tag, man wandert wieder durchgehend im Dschungel, begibt man sich auf den „Elephant Trail“, auf dem man die vage Chance hat, einen der am Mount Cameroon noch nicht ganz ausgerotteten Waldelefanten zu sehen (ca. 30% Wahrscheinlichkeit einer Sichtung). Wir gehörten zu den unglücklichen 70%, hatten aber wenigstens das etwas unbefriedigende Vergnügen, eine Miniherde mit lautem Schnauben und unter rücksichtslosem Gepoltere durch das Unterholz davonstürmen zu hören. Am bildschönen, mitten im Urwald gelegenen Kratersee gab sich aber wenigstens eine Antilope die Ehre.

 

Nachmittags versuchten dann wir Jungs der Truppe experimentell, mit unseren Portern wenigstens während einer einzigen, der letzten Etappe Schritt zu halten. Wenn man es nicht selber gesehen hat, könnte man nicht glauben, dass die jungen Erwachsenen mit ihren 30kg-Rucksäcken im wahrsten Sinne des Wortes bergab rennen. Und während man als Europäer nach der 25-minütigen Sprinterei erstmal zwei Stunden keinen Schritt mehr tun kann, werden von den Portern in Windeseile Zelte aufgestellt und Tomaten geschnippelt.

 

Gegen zwanzig Uhr bekamen wir lieben Besuch von nicht nur gefühlt tausenden Waldameisen, die lapidare Anweisung war „go in your tents immediately, zip it, and DON´T come out before tomorrow morning“. Nach den ersten schmerzhaften Stichen der sich plötzlich überall am Körper, in den Schuhen und an den Rucksäcken befindlichen Ameisen, folgte man der Anweisung nur zu gerne. Die Portern verbrachten den restlichen Abend mit dem unermüdlichen Instandhalten eines Ringes von heißer Lagerfeuerasche rund um unser Lager.

 

Leider ist, so muss man es ausdrücken, die Vier-Tages-Tour Schmu, denn am vierten Tag erreicht man nach gerade mal einer Stunde Gehzeit durch wenig attraktive Palmfelder den Küstenort Bakingili , von dem wir nach einem kurzen, ersten Blick auf den kamerunischen Atlantik, einem Abschiedsbier für die Porter und unseren Guide und letzten Erinnerungsfotos ins Hotel gebracht wurden.

 

Besagtes Hotel lag zwar ein ganzes Stück außerhalb des Touristenstrandortes Limbe, dafür verfügt es über einen Privatstrand mit warmen Meerwasser, und, fast noch genialer, über Duschen mit ebenfalls warmen Wasser. Selbst wenn es nur tröpfelt, ist die erste heiße Dusche nach vier Monaten eiskaltem Immunsystemtraining ein krasses Erlebnis. Neben besagter Dusche und besagtem Privatstrand wurde am Tag nach der Tour sowieso nichts weiteres aufgesucht.

 

An Silvester kam ich dann das erste Mal in den Genuss des Gourmetfrühstücks, nach französischem Vorbild ausschließlich mit Baguette, Margarine und Erdbeermarmelade. Am Nachmittag war Ausflug nach Limbe. Allerdings erst nachdem drei Mitfreiwillige von einem Polizisten, der sich ganz offensichtlich schon ein paar Silvesterbiere zuviel in die Rüstung geknistert hatte, wegen fehlender Reisepässe festgenommen wurden. Es ist schon ärgerlich, wenn die sich noch auf freien Füßen befindlichen Deutschen sich deshalb ins Hotel zurückbegeben müssen, um die Pässe herbeizuschaffen- noch ärgerlicher ist es allerdings, wenn einem dann aber schon auf halbem Weg zurück zur Kontrollstation die armen Teufel ohne Papiere bereits freudestrahlend entgegen kommen und verkünden, der Polizist hätte nach gewisser Zeit die Freude an seinem Spielzeug verloren und die passlosen Gesellen davongeschickt.

 

Limbe verfügt über eine recht ansehnliche Seepromenade mit 1a-Blick auf die in küstennähe befindlichen Ölplattformen. Nach dem Kauf einiger Getränke für die ersten Minuten des neuen Jahres fuhr man, diesmal ohne Unterbrechung, zurück ins Hotel, denn, nachdem in ausdauernden Verhandlungen der Preis um ganze 70% gedrückt wurde, dort ein großes Silvesterbuffet ausgerichtet wurde. Unbezahlbar war dann aber das Erlebnis, die ersten Stunden des Jahres 2017 in in einem Strandpavillon mit Sicht auf das nächtliche Meer zu verbringen.

 

Tragisch ist das Schicksals des Lavastroms vom letzten Ausbruch des Mount Cameroon im Jahr 1999, dem an Neujahr ein Besuch abgestattet wurde. Über mehr als zwanzig Kilometern von den Kratern in Gipfelnähe floss damals der glühende Strom südwärts Richtung Mehr, schrottete noch mit letzter Kraft einen Abschnitt der frisch gebauten Küstenstraße, nur um dann 200 Meter vor dem Meer endgültig zu schwarzem Vulkangestein zu erstarren. Knapp danaben ist...

 

 

 

 

 

 

Kurzurlaub der Extreme

 

 

 

Am CERSOM begannen die Weihnachtsferien heuer schon am 9. Dezember. Trauriger Grund ist ein finanzieller Engpass, der es dem Internat nicht erlaubt, die SchülerInnen bis zum staatlich vorgesehenen Ferienbeginn am 24.12 durchzufüttern.

 

Für Marie und mich bot sich so allerdings die Gelegenheit, nach der abschließenden Lehrerkonferenz am 14.12 für vier Tage nach Obala zu reisen, um die dortigen Freiwilligen zu besuchen. Nachdem man drei Monate im relativen Luxus, also mit großer Wohnung und fließend Wasser gelebt hat, wird einem in Obala bewusst, dass Freiwilligendienst auch ganz anders sein kann: Wenn Wasser nämlich erst in Eimern vom Brunnen (auch mal leer) ins Haus geschleppt werden muss, man sich zum Duschen selbigen Eimer über dem Kopf ausleert und man lieber vor dem Toilettengang daran denken sollte, ausreichend Spülwasser mitzunehmen. Auch leben die dortigen Freiwilligen nicht in einer eigenen Wohnung, sondern teilen sich eine Kleine mit zwei, teilweise missgelaunten, Schwestern.

 

Mit diesen Umständen im Hintergrund war dann der Samstag noch viel unwirklicher: Geplant war am Vormittag eine Wandertour in der Umgebung der Hauptstadt Yaoundé mit anschließendem Nachmittag in der Stadt.

 

Zunächst trafen wir uns aber mit einem weiteren, wanderinteressierten Freiwilligen im Villenviertel von Yaoundé. Dort, weil dieser Freiwillige bei seiner Tante und seinem Onkel lebt, die als Deutsche bei der kamerunischen Stelle einer bekannten deutschen Stiftung arbeiten. Ein deutsches Gehalt erlaubt Ihnen ein Leben in einer Villa mit Swimming Pool und anderen untypischen Annahmlichkeiten. Wir profitierten in dem Sinne, dass Transport zum Startpunkt der Wanderung im Privat-PKW (erste Fahrt in Kamerun mit Sicherheitsgurt) mit Klimaanlage bewältigt wurde.

 

Mit zwei Guides (in Gummistiefeln unterwegs und trotzdem zehnmal schneller) erklommen wir im Anschluss (und nach der obligatorischen „Eintrittszahlung“ an den zuständigen Chef (desse Frau sich so selbstbewusst wir eindeutig mit „je suis la reine ici“ vorstellte)) den Mont Bamenko. Kaum 45 Minuten Fahrtzeit von der Hauptstadt weg, kommt man sich hier vor wie Livingstone persönlich. Da die Wegbegründer anscheinend Serpentinen für eine nur in Europa nötige Dreingabe gehalten hatten und es trotz anfänglichem Nebel kräftig aufheizte, war der Marsch eine schweißtreibende Angelegenheit. Aber es lohnte sich, denn auf dem baumlosen Gipfel (auch hier lösen irgendwann „Almwiesen“ den Regenwald ab) war die Sicht nach Auflösung des Nebels beindruckend. Nach einer Rutschpartie“ talwärts wurde wieder die Luxuskarre geentert und die Rückfahrt nach Yaoundé angetreten.

 

Leider sieht es selbst in der Hauptstadt mit Sehenswürdigkeiten eher mau aus, allerdings hat man als Freiwilliger auch einen großen Spaß dabei, mal einen europäischen Supermarkt im Reichenviertel zu besuchen- und wenn es nur ist, um sich zu vergewissern, dass man die ersten 18,5 Jahre seines Lebens nicht geträumt hat. Die Krönung der Dekadenz war dann aber das Abendessen in der Pizzeria Alfresco. Die erstaunlich authentischen Pizzen (schon allein, mal wieder Käse zu essen) sind zwar nicht teurer als in Europa, aber als Freiwilliger kriegt man ja nicht oben erwähntes deutsches Gehalt. Aber Yaoundé ist zu weit weg von Bafoussam, als dass man noch viel öfter in Versuchung kommen könnte.

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach zwei in Bafoussam und Umgebung verbrachten Monaten stellte sich dann doch langsam das Bedürfnis nach ein bisschen Abwechslung ein. Das dann gleich zwei (Teil-)Wochenenden in der angrenzenden Region (genannt Nord-Ouest, liegt übrigens nordwestlich von Bafoussam ;) ) verbracht werden sollten, war ein Zufall.

 

 

 

Sonntagsausflug nach Bamenda.

 

Auf Initiative des Gastvaters (nicht auf Einladung, er versteht sich als Mischung aus Guide und Gastvater und ist deswegen nicht so wild darauf, die Fahrt zu bezahlen), wurde am ersten Novembersonntag eine Tour nach Bamenda unternommen. Aufbruch war bereits um sechs Uhr morgens, und da auch der Bus schnell voll, für europäischen Geschmack zu voll (und damit abfahrbereit) wurde, war nach zwei Stunden Fahrt schon um neun Uhr Ankunft in der Oberstadt Bamendas. Von den 67 Kilometern verlaufen die ersten 40 sehr geruhsam auf anerkennenswert solide ausgebauten Straßen, dann verkündet ein kleines Schild am Straßenrand lapidar „Bauarbeiten auf 30 Kilometern“. Von diesen Bauarbeiten sieht man nicht allzuviel, dafür sieht das Auge (und spürt der Hintern), warum hier zumindest mit dem Gedanken gespielt wird, etwas an der Straßenqualität zu verbessern.

 

Es ist natürlich kein Zufall, dass die gute Straße prompt an der Stelle wortwörtlich im Sande verläuft, als die ersten Zeichen (Mamies die am Straßenrand „carot, carot“ statt „carottes, carottes“ brüllen) daruf hindeuten, dass man bald den englischsprachigen, so separatistischen Nordwesten erreicht (ehemals britische Kolonie und nicht französische). Aufstände gegen die ferne und anglophobe Regierung in Yaoundé sind hier an der Tagesordnung.

 

Davon kriegen wir aber auf der am Soldatendenkmal beginnenden Besichtigungstour nichts mit. Dass auch schon vor Franzosen und Engländern hier eine uns wohlbekannte Nation den Oberaffen gespielt hat, davon zeugt das alte deutsche Fort, das noch heute militärisch genutzt wird.

 

Von der Oberstadt, wo fast die gesamte Stadt- und Regionsverwaltung sitzt, steigt man mit anhaltend schöner Aussicht ganze 300 Höhenmeter in die Unterstadt ab.

 

Dann begann leider der unschöne Teil des Vormittages: Nachdem wir sowohl bei einer Kunstwerkstatt als auch bei einem Museum vor verschlossenenen Türen standen, wurde selbst die Suche nach einem geöffneten Restaurant zum Frustessen eine sportliche Herausforderung. Grund ist die recht konsequent eingehaltene Sonntagsruhe in Bamenda (für Besucher aus Bafoussam durchaus ungewohnt, schließlich ändert sich dort am Straßenbild nichts, nur die Dauerbeschallung mit Kirchenmusik aus den zahlreichen Gotteshäusern ist nicht alltäglich. Historisch bedingt ist Bafoussam - im Gegensatz zum ziemlich katholischen Sitz des Erzbischofs in Bamenda - als Haupstadt des altehrwürdigen Volksstammes der Bamileké eher von deren achttägiger Woche geprägt).

 

Ich möchte das gemütliche Mittagessen in einem - ausnahmsweise - richtigen Restaurant (Unterscheidungsmerkmal: Wartezeit nach Bestellung) nicht missen, aber für den zu Straßenrestos/Mamies fünf bis achtmal höheren Preis war es geschmacklich nicht fünf bis achtmal besser.

 

Da es danach schon auf drei Uhr zuging, wurden dann unverzüglich noch einmal alle Glieder bewegt und sich danach wieder in einen Kleinbus in Richtung Bafoussam gequetscht.

 

 

 

Ein Wochenende im Reisfeld:

 

Jeder in Kamerun kennt das Städtchen Ndop. Denn obwohl hier viele zum Abendessen die Reisportion essen, die in Deutschland eine ganze Kantine satt machen würde, wird der Großteil des hier verkaufte Reises aus Thailand importiert. Nur die Ebene südlich von Ndop wird für den Reisanbau genutzt und der dort produzierte Ndop-Reis dann vor Ort recht hochpreisig verkauft.

 

Am zweiten Wochenende im November besuchten wir die im dortigen Zentrum für „Frauenpower“ tätigen deutschen Freiwilligen, da allerdings ihre kamerunische Mitbewohnerin am Vortag für gefühlt drei Jahre Maisbrei angerührt hatte, kenne ich den legendären Reis immer noch nur vom Hörensagen.

 

Trotzdem war der Kurzurlaub "auf dem Dorf" nach dem ständigen Bafoussamer Stadtstress erholsam und teilweise sehr aufschlussreich, immerhin weiß ich dank des kostenlos anlässlich des „World Diabetes Day“ angebotenen Insulinspiegeltests (eine andere Mitbewohnerin des Freiwilligengrundstücks ist Krankenschwester und war an der Organisation des Tages maßgeblich beteiligt), dass ich - fast hätte ich damit gerechnet - nicht an Diabetes leide.

 

Eine eher unerfreuliche Nachricht war dagegen, dass die Ndop nördlich begrenzenden, malerischen Gebirgszüge erst ab Mitte Dezember bewanderbar sind, wenn die Trockenzeit dem hohen Gras den Garaus gemacht hat. Ausschließlich von der Freiwilligenterrasse betrachtet, waren die Berge dann aber nicht mehr ganz so malerisch.

 

Ndop liegt auch in der Nordwestregion, das heißt im englischsprachigen Teil Kameruns. Natürlich sind auch das französische Französisch und die kamerunische Ausgabe zwei verschiedene Paar Schuhe, aber Pidgin-Englisch verhält sich zum Oxfordenglisch dann wie Gummistiefel zu Tennisschuhen. Denn im Gegensatz zum Französischen in Kamerun ändern sich nicht nur Satzbau und gegebenenfalls Formulierungen, auch grammatikalische Strukturen werden beim hiesigen Englisch durcheinandergewirbelt (der beliebte Ausspruch „I be come“ ist zum Beispiel übersetzt ins British English „I will come“). Zugegebenermaßen ist es aber nie ein Problem, vor allem für junge Kameruner des Nordwestens, in ein „Professional Englisch“ zu wechseln.

 

Nach dem sonntäglichen Kirchgang (trotz der durch eine Fehlinformation verursachten ganzen Stunde Verspätung ist man auch so zum Hochgebet locker da), traten wir die Rückreise an, die Dank der Überquerung zweier Gebirgspässe schon an sich ein Highlight war.

 

 

Nun, kaum 31 Tage später, sind es schon zwei Monate, die ich hier in Bafoussam, Westprovinz, Kamerun, lebe. Da kann man schon behaupten, dass es, zum Glück nur an Arbeitstagen, so etwas wie einen routinierten Tagesablauf gibt. So unspektakulär er auch ist, ich lasse Euch mal daran teilhaben:

 

 

 

  • 05 h 40: Ironischerweise genau wie die acht Gymnasialjahre zuvor, klingelt der Wecker um diese ungemütliche Uhrzeit. Bin gespannt, ob sich das in diesem Leben nochmal ändern wird. Aber eigentlich ist zwanzig vor sechs noch eine humane Zeit zum Aufstehen - der bedauernswerte Hahn des Hauses hat nämlich regelmäßig schon gegen 03 h 30 Arbeitsbeginn (und sorgt auch dafür, dass jeder von seiner Frühschicht erfährt).

  • Ca. 07 h 00: Gewaschen (meist auch ich, aber vor allem das erste Geschirr des Tages, einfach in Spülmaschine räumen ist nicht) und gefrühstückt brechen wir drei Freiwillige um diese Zeit Richtung Schule auf. Der Schulweg ist zugegebenermaßen ein landschaftlicher Traum, als Gegenleistung fordert er aber Kraft für 25 Minuten Gehzeit und mehrere steile Anstiege und Abstiege. Will man nicht die mühsam von Hand geschrubbte Hose sofort wieder einsauen, sollte man schauen, wo man hintritt. Das ist durchaus leichter gesagt als getan, sind doch auch Unterhaltungen in der Gebärdensprache ohne Blickkontakt zum Gegenüber ziemlich sinnfrei.

  • 07 h 30: Da es selten Stau am Kopierer gibt (die anderen Lehrer kommen nur zu ausgewiesenen Anlässen vor 07 h 45), schafft man es einigermaßen, pünktlich zum Unterrichtsbeginn in der Klasse zu sein.

  • 10 h 30: Glücklicherweise habe ich nur montags und donnerstags die drei (Schul)Stunden bis zur Vormittagspause durchgehend anstrengenden Unterricht, trotzdem ist man auch an den anderen Tagen froh über die halbe Stunde Ruhe. Pausenverkauf gibt es auch hier, statt Leberkassemmel und Schokocroissant sind hier Beignets in wahlweise süßer oder salziger Form die Verkaufsschlager. Die diese anbietende Mamie ist zudem auch mindestens genauso sympathisch wie ein gewisser Albert F. .

  • 13 h 00: Nach weiteren zwei Stunden ist nun Zeit für die halbstündige Mittagspause. Die Freiwilligen erwarten mit knurrendem Magen die Mamie für das Mittagessen.

  • 13 h 10: Der Magen knurrt immer noch, aber zum Glück ist Mittwoch und man befindet sich wie das Personal jeder frankophonen Schule auf dem Weg nach Hause.

  • 13 h 20: Nach obligatorischen, landesüblichen zwanzig Minuten Verspätung hat die Mamie dann doch die zwanzig Meter von ihrer Haustür bis zum Schulhof überwunden und verteilt Teller mit großen Portionen täglich wechselnder, einfacher typisch kamerunischer Gerichte. Man braucht allerdings einen stabilen Magen, nicht nur weil man den generell in Kamerun haben sollte, sondern auch, weil man sich mit vollem Teller nach erstmal durch den die Mamie umvölkernden Schülerpulk zwängen muss, in dem der Großteil der Schüler üblicherweise nicht das Geld hat, sich ein Essen leisten zu können.

  • 13 h 40: Wer mein atemberaubendes (atemberaubend, weil der Mitesser meist schon verblichen ist, höhö) Esstempo kennt, weiß, dass es für mich eine echte Herausforderung ist, trotz der verspäteten Essensausgabe mit einer nur möglichst kleinen Verzögerung in den Nachmittagsunterricht zu starten. Meist muss man aber so und so noch warten, da täglich nach einem festen Plan die Klassenzimmer von den Schülern zu wischen sind und diese selten schon um halb zwei komplett durch sind.

  • 15 h 30: Kurz bevor die Konzentrationsfähigkeit der Schüler auf einen legendären Tiefststand sinkt, ist um halb vier die Schule aus.

  • 15 h 45: Ab diesem Zeitpunkt ist „freie Beschäftigung“ angesagt. Dienstags beispielsweise ruft der gestrenge Fußballtrainer seiner Zöglinge zum Warmlaufen herbei, an anderen Tagen werden in wechselnder Besetzung Besorgungen gemacht oder in der Hauptpost ein Blick in die cersomeigene „boîte postale“ geworfen. Den Rest des Tages nehmen Hausarbeit, Unterrichtsvorbereitungen und, ja, Erholung ein. Große Sprünge sind in den zweieinhalb Stunden Tageshelligkeit, die nach Schulschluss noch bleiben, nicht mehr drin.

  • 19 h 00: Um sieben (Kompromiss zwischen den extremen Gewohnheiten daheim: Marie aß daheim immer nach guter Rentnertradition gegen sechs - eine Uhrzeit, um die ich gefühlt erst gerade vom Mittagstisch aufgestanden war und gut und gerne noch drei Stunden bis zum Abendbrot vergehen konnten) gibt es dann einen wegen des warmen Mittagessens in der Schule meist kalten Abendimbiss. Je nachdem, ob sich während des Essens ein spannendes Gesprächsthema herausgebildet hat oder ob noch dringende Schularbeiten zu machen sind, klingt der Tag gemütlich im Wohn-/Esszimmer aus oder man rafft sich noch zu etwas individueller Schufterei auf.

  • 22 h 00: Meist ist für mich um diese Uhrzeit Zapfenstreich. Gilt aber der lauten, täglich von der Hauptstraße des Quartiers herüberdudelnden Partymusik nach zu schließen nicht für alle hier im Viertel.

    Naja, aber dann doch lieber seinen Zwängen nachgeben und trotz wenig nachgeschmissener Internettarife während zehn Minuten „B5 aktuell“ in die Heimat hinüberhorchen.

 

 

Ein Monat in Kamerun.

 

Seit einem Monat bin ich in Kamerun. So weit, so gut, doch eigentlich müsste man ein bisschen differenzieren:

 

Seit einem Monat wohne ich in Kamerun. Genauer gesagt in Bafoussam, Stadtviertel Banengo, Rondpoint Gabonbar. Wenn dem Blogleser die Adresse entfallen sein sollte, fragt einfach eine x-beliebige Person im Viertel, sie wird Euch zu mir/uns führen. Es ist manchmal unangenehm, zu wissen, dass jeder weiß, wo weiß wohnt, sozusagen. Man wird sogar freundlich auf den angenommenen Irrtum hingewiesen, wenn man aus Entdeckerdrang mal am Hauseingang vorbeischlendert.

 

 

 

Seit einem Monat arbeite ich in Kamerun.

 

Auch ich kann endlich stolz von mir behaupten, schon einmal ein(e) Extemporale/Stegreifaufgabe/Examen geschrieben zu haben, dessen Ergebnis man plakativ mit dem in Schülerkreisen gefürchteten Spruch „die Hälfte Fünfen und Sechsen“ zusammenfassen könnte. Und nein, natüüürlich ist das Leistungsniveau angemessen gewesen, die Schüler sind einfach nur doof.

 

Spaß beiseite: Mir fällt es ungelogen schwer, auch nur annähernd zu beschreiben, wie es für Gehörlose sein muss, eine Sprache wie Englisch zu lernen. Schwierig ist gar kein Ausdruck, zumal viele verständlicherweise noch mit der für sie ersten Fremdsprache, dem Französischen, zu kämpfen haben (es kommt vor, dass ich bei Übersetzungsübungen das Französische mitkorrigieren muss - unangenehm).

 

Man muss sich bewusst machen, dass ohne den Eindruck des Gesprochenen/Gehörten im Kopf jedes Wort aus einer Ansammlung abstrakter Zeichen besteht, deren Reihenfolge grundsätzlich immer auswendig zu lernen ist. Von der gänzlich unterschiedlichen Grammatik des Französischen und Englischen im Vergleich zur Gebärdensprache ganz - ähm, räusper- zu schweigen. Didaktisch fehlen mir natürlich die Möglichkeiten, ganz persönlich aus Unerfahrenheit im Lehrberuf im Allgemeinen und konkret aus immer noch nicht zu leugnenden Unzulänglichkeiten in der Gebärdensprache, und ganz natürlich, weil ja die großen Bereiche „Hörverstehen“ und „Sprechen“ in Gänze wegfallen.

 

 

 

Für meinen Teil habe ich aber zumindest in weiten Teilen Spaß am Unterrichten, auch wenn die gesamte 6ème aus Rabauken besteht und es natürlich auch in den anderen Klassen angenehme und - in vielerlei Hinsicht - unangenehme Schüler gibt. Und es glaube bitte niemand, dass es ja an einer Gehörlosenschule keine lauten Klassen gäbe: Man wird sich schwer tun, eine andere Schule mit einer solchen Geräuschkulisse wie Cersom zu finden, schließlich stört es hier niemanden, wenn Schüler - im wahrsten Sinne des Wortes - unkontrolliert Töne und Laute von sich geben. Anschaulich werden die Besonderheiten im gemeinsamen Raum der 3ème und 4ème: Denn dieses Klassenzimmer wurde mit einer dünnen Papierwand zweigeteilt. Undenkbar anderswo, hier aufgrund der größtenteils lautlosen Stoffvermittlung und der sowieso für Lärmbelästigung unempfänglichen Schüler kein Problem. Nervig ist für mich als Hörenden nur, wenn ein ebenfalls hörender Kollege hinter der Pappwand das Radio während des Unterrichts dudeln lässt, in der Annahme, es sei ja niemand da, den die meist grauenvollen Neunzigerjahrepopsongs jucken würden.

 

 

 

Seit einem Monat entspanne ich in Kamerun:

 

Zu einer arbeitsamen Woche gehört auch hier ein Wochenende. Punkt.

 

Da wird dann im Kreise der Bafoussam-Freiwilligen gebruncht oder Natur und Kultur der Umgebung erkundet. Nur daheim muss man auch am Wochenende spätestens um halb sieben sein, was natürlich die Möglichkeiten im Bezug auf das Nachtleben reduziert - meist auf Kniffelrunden.

 

 

 

 

 

Ankunftsseminar in Obala und erste Momente in Bafoussam

 

 

 

Eigentlich hatte ich nicht vor, diesen Blog zu einem typischen und todlangweiligen „Und dann habe ich“-,  „Und dann ging ich“ - Geschreibsel zu machen, aber ich ich schmeiße diesen guten Vorsatz hiermit über den Haufen. Aber ich wollte die Absicht kurz kundgetan haben.

 

 

 

Nach zwei Flügen plus Aufenthalt in Brüssel plus Zwischenlandung in der Hafengroßstadt Duala plus obligatorische Stunde Verspätung, wo die drei vom Flughafen München gestarteten Freiwilligen den Rest der Truppe, bestehend aus vier Freiwilligen von bezev und sieben vom Internationalen Bund, getroffen hatten, kam das Flugzeug von Brussels Airline um 20 Uhr in der Hauptstadt Kameruns - Yaoundé - an. Dort der erste Kulturschock: Nach einer Rolltreppe sucht man vergeblich.

 

Passkontrolle und kritischer Blick des Grenzschutzes auf die Gelbfieberimpfbestätigung werden problemlos überstanden, und auch alle Koffer kommen froh, munter und unverletzt auf dem Gepäckband. Da das Ankunftsseminar in der Kleinstadt Obala etwas außerhalb von Yaoundé stattfindet, werden wir von drei Mitarbeitern des dortigen Institut Agricole abgeholt. In einem Fahrzeug von der Größe eines VW-Busses finden elf FWs und zwei Fahrer Platz.

 

 

 

Am Flughafenausgang weist ein Schild den Weg nach Yaoundé - für lange Zeit das letzte Verkehrsschild, das man zu sehen bekommt. In Yaoundé steppt zu dieser Stunde der Bär: An Straßenständen werden am Rande der achtspurigen Straße Fisch und Fleisch gegrillt, von überall her schallt Musik. Ruhig ist es dann erst wieder auf dem Gelände des Instituts, wo wir von der Seminarleiterin Magdalena (ehemalige Freiwillige, lebt aus Gründen der Liebe seit 2014 in Kamerun) und ihrer kamerunischen Freundin Sandrine mit dem ersten ausgefallenen kamerunischen Abendessen begrüßt - Nudeln mit Tomatensoße.

 

 

 

Die Seminarinhalte sind - verglichen mit gefühlslastigen „wer sind ich“ Stoffen des Vorbereitungsseminars in Deutschland - erfrischend praktisch: Der Entenmutter hinterhertapernd, traut man sich aus dem abgegrenzeten Institutsgelände heraus auf eine afrikanische Hauptstraße,  und ja - die Klischees stimmen in manchen Fällen eben doch: Es liegt viel Müll herum, die Lärmkulisse aus Motorradfahrern, Musik und Lastwagen ist furchteinflößend und von überall her hört man die Rufe: „He, le blanc“ bzw. „He, la blanche.“ Nach einem Stopp beim Bankautomaten können dann auch die überlebenswichtigen Internet-SIM-Karten gekauft werden. Restliche Inhalte sind Sicherheits- und Gesundheitstipps sowie erste Gänge über den Markt.

 

Dass man sich zum Duschen den Kübel eiskalten Wassers selber über dem Kopf ausleeren muss und mit Eimern gespült wird, ist am ersten Tag erfrischend exotisch, am zweiten hält man es wenigstens noch für authentisch, und dritten Tag will man sich am liebsten ins Hotel Hilton in Yaoundé umquartieren.

 

 

 

Nach vier Seminartagen brechen wir am Samstag nach Bafoussam auf: Da der Bus in Yaoundé irgendwann zwischen sechs Uhr und neun Uhr abfährt - je nachdem, wann er voll ist - ist erst frühes Aufstehen und dann eine längere Wartezeit angesagt. Die modernste Straße Kameruns zwischen Yaoundé und Bafoussam ist bei weitem in einem besseren Zustand als die deutsche A 8, trotzdem dauert die Fahrt fünf Stunden, da an festgelegten Orten Straßenhändler den Bus entern dürfen, um Kochbananen und Maniokstangen an den Mann zu bringen.

 

 

 

In Bafoussam werden meine Mitfreiwilligen Marie,  Sarah und ich vom Schuldirektor Monsieur Innocent Djonthe abgeholt. Unsere Wohnung liegt direkt hinter dem Haus des Direktors,  und,  von den zahlreichen Kakerlakenleichen (immerhin gab es hier zwei Monate nichts zum Essen) abgesehen, ist die Wohnung auch ohne Wasch- und Spülmaschine in Relation gesehen für Kamerun luxuriös.

 

Seit dem ersten Nachmittag kennt uns ganz Bafoussam, da uns schon beim ersten Marktbesuch der Regen überrascht und deshalb drei Weiße klitschnass am Straßenrand stehen und verzweifelt ein Moto (Taximotorrad) für die Heimfahrt heranwinken.

 

Hausarbeit nimmt hier sehr viel Zeit in Anspruch: Lebensmittel müssen mühsam auf dem Markt zusammengesucht werden, wobei jedes mal gefeilscht werden sollte, will man nicht nach drei Tagen pleite sein. Vom Wäschewaschen und Putzen ganz zu schweigen.

 

 

 

Die ersten Tage werden von einem Crashkurs für die Langue Des Signes Francaises dominiert, schließlich sollen die Freiwilligen schon in der nächsten Woche selber unterrichten können. Fünf Stunden täglich werden deswegen zusammen mit der recht missmutigen Lehrerin Vokabeln gepaukt - streng beobachtet von den an Fenstern und Türen staunenden Cersom-Schülern. Zeit haben die Kinder sowieso noch, da in Kamerun nach den dreimonatigen Sommerferien alles ein bisschen ruhiger anfängt: Am ersten Schultag warteten zum offiziellen Schulbeginn nur der Direktor und die drei Freiwilligen auf die gegen zehn Uhr eintrudelnden Lehrer und vereinzelte ferienmüde Schüler.

 

 

 

Das sollte es bis jetzt gewesen sein, nächste Woche gibt es Meldung vom verzweifelten Neulehrer Monsieur Ogiermann.